Deutsche Rentenversicherung

Newsletter 4/2024

Hier finden Sie aktuelle Informationen zum Arbeitsschutz bei hybrider Bildschirmarbeit, Pflege von Angehörigen, wie Unternehmen der Rentenwelle begegnen u.v.m.

Liebe Leserinnen und Leser,

 

mit den besten Grüßen des Teams des Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg kommt unser neuer Newsletter. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!

 

Und nicht vergessen: Ob Vorträge zu Themen wie Prävention, Reha, Rente und Altersvorsorge auf Ihren Betriebs- und Schwerbehindertenversammlungen oder Schulungsveranstaltungen für Ihre Mitarbeitenden, Gesundheitstage oder Betriebssprechtage – wir sind sowohl vor Ort bei Ihnen oder auch gern per Video dabei. Also nutzen Sie unsere Angebote auf Ihren Veranstaltungen und sprechen Sie uns an.

 

  • Frau Bellgarth (030 3002 1558)        
  • Herr Hanitzsch (030 3002 1557)        
  • Frau Ilschner (030 3002 1560)        

 

Ihr Team des Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg

 

Arbeitsschutzrechtliche Empfehlungen für hybride Bildschirmarbeit veröffentlicht

 

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Rahmen des Programms ARBEIT: SICHER + GESUND (ASUG) umfassende arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Empfehlungen zur Gestaltung gesunder hybrider Bildschirmarbeit erarbeitet. In einer Politikwerkstatt mit über einhundert Fachexpert*innen unterschiedlicher Disziplinen und den Sozialpartnern wurden zentrale Fragen zur Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten diskutiert. Das BMAS reagiert mit diesen Empfehlungen auf den formulierten Auftrag im Koalitionsvertrag.

Hybride Bildschirmarbeit hat sich seit der Corona-Pandemie als neue Arbeitsform fest im Berufsleben vieler Menschen etabliert. 2023 boten 77 Prozent der Betriebe ab 50 Beschäftigten die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten an (Quelle: IAB-Forschungsbericht). Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode beinhaltet den Auftrag, "(…) zur gesunden Gestaltung des Homeoffice im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen zu erarbeiten." (Koalitionsvertrag, S. 68 ff.). Diesen Dialog hat das BMAS von September 2022 bis Oktober 2023 in der Politikwerkstatt "Mobile Arbeit" durchgeführt.

In dem einjährigen Prozess diskutierten über 100 Expert*innen die technischen, organisatorischen, personellen, kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gestaltung guter mobiler Arbeit. Am Prozess beteiligt waren neben den Sozialpartnern, Arbeitsgestalter*innen und (Arbeits-)Wissenschaftler*innen auch Vertreter*innen des Personalmanagements, des Gesundheitswesens, Expert*innen in Steuer- und Rechtsfragen, der Immobilienwirtschaft, der Büroausstattung sowie Betreibende von Co-Working-Spaces, Führungskräfte und Berater*innen.

Parallel zur Debatte in Deutschland wurden auf europäischer Ebene Sozialpartnerverhandlungen zum Thema geführt, die kein geeintes Ergebnis erzielten. Die EU-Kommission hat daher, im Hinblick auf eine europarechtliche Regelung, erneut Sozialpartnerkonsultationen eingeleitet.

 

Schlussfolgerungen aus der Politikwerkstatt

 

Der Dialog in der Politikwerkstatt "Mobile Arbeit" führte zu einem differenzierten Bild hinsichtlich Herausforderungen und Möglichkeiten hybrider Bildschirmarbeit. Deutlich wurde: Sichere und gesunde hybride Arbeit setzt sich aus einer ausgewogenen Balance von Präsenzarbeit und mobiler Arbeit zusammen. Besondere Chancen liegen in der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie in besseren Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Auch kann hybrides Arbeiten die Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit unterstützen.

Die neue Art unseres Zusammenarbeitens stellt aber auch neue Anforderungen an alle Beteiligten. Arbeitgeber müssen faire und sichere Arbeitsbedingungen gewährleisten. Das gilt auch, wenn keine Telearbeit vereinbart wird. Gleichzeitig stellt hybrides Arbeiten besondere Anforderungen an die Beschäftigten, z. B. in Bezug auf die Selbstorganisation.

Der Diskurs in der Politikwerkstatt sowie Forschungsergebnisse zeigen: Dort wo betriebliche oder tarifvertragliche Regeln für das Arbeiten von zu Hause existieren, funktioniert hybride Arbeit gut. Regelungen sind insbesondere dann notwendig, wenn mobile Arbeit regelmäßig und in relevantem Umfang stattfindet. In diesem Fall sollten sich die Arbeitgeber mit den Beschäftigten und ihren betrieblichen Interessenvertretungen über geeignete Tätigkeiten und deren Ausgestaltung einigen. Dazu gehört auch, dass den Beschäftigten grundsätzlich und planbar ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung steht.

 

Handlungsrahmen für die Praxis

 

Im Ergebnis der Politikwerkstatt "Mobile Arbeit" ist ein Handlungsrahmen mit arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Empfehlungen für gute hybride Bildschirmarbeit entstanden. Bis eine mögliche europäische Regelung wirksam wird, bilden diese Empfehlungen den Handlungsrahmen für die betriebliche Praxis zur Gestaltung sicherer und gesunder hybrider Bildschirmarbeit. Davon unberührt gelten die allgemeinen Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes.

Die Entwicklung hybrider Arbeitsformen in Deutschland ist nicht abgeschlossen. Vielmehr ist dies ein Prozess, in dem sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer*innen lernen. Das BMAS wird diese Entwicklungen im Blick behalten und überprüfen, ob und welche Anpassungen notwendig sind.

 

 

BMAS-Empfehlungen für gute hybride Bildschirmarbeit

 

Sichere und gesunde hybride Arbeit setzt sich aus einer ausgewogenen Mischung von Präsenzarbeit und mobiler Arbeit zusammen. Mobile Arbeit kann die Flexibilität bei der Arbeit erhöhen und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördern. Zudem stellt sie für Beschäftigte mit Beeinträchtigungen eine Möglichkeit dar, die Teilhabe am Arbeitsleben zu verbessern und kann auch bei der Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit helfen.

Die neue Art unseres Zusammenarbeitens stellt dabei höhere und andere Anforderungen an alle Beteiligten. Arbeitgeber müssen, auch wenn keine Telearbeit vereinbart wird, faire und sichere Lösungen für die Arbeitsgestaltung etablieren. Für Beschäftigte erhöhen sich die Anforderungen an die Selbstorganisation. Beschäftigte und ihre betrieblichen Interessenvertretungen müssen angemessen beteiligt werden. Für Führungskräfte sind die Gestaltung von Führung auf Distanz, das Zusammenhalten von Teams an unterschiedlichen Orten und das Informationsmanagement besonders herausfordernd.

Der Diskurs in der Politikwerkstatt „Mobile Arbeit“ sowie Forschungsergebnisse zeigen: Dort, wo es betriebliche oder tarifvertraglich vereinbarte Regeln für das Arbeiten von zu Hause gibt, funktioniert hybride Arbeit in der Regel gut. Regelungen zur Ausgestaltung der Arbeitsplätze sind deshalb immer dann sinnvoll, wenn Arbeit regelmäßig und in einem relevanten Umfang auch mobil stattfindet.

Die folgenden Empfehlungen schaffen einen Rahmen für die Ausgestaltung hybrider Bildschirmarbeit und geben Handlungssicherheit für die betriebliche Praxis.

Die rechtliche, technische und gesellschaftliche Entwicklung neuer hybrider Arbeitsformen in Deutschland ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel, der auch Auswirkungen auf künftige Arbeitsformen hat und sowohl von Seiten der Unternehmen als auch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fortwährend fordert, sich neuen Entwicklungen anzupassen. Das BMAS wird die Entwicklungen der hybriden Arbeitsformen beobachten und überprüfen, ob und welche Anpassungen künftig vorzunehmen sind. Zudem muss die noch nicht erfolgte Rechtssetzung auf europäischer Ebene auf dem Gebiet der mobilen Arbeit abgewartet werden. Im Folgenden sind diese EU-Vorgaben in nationales Recht umzusetzen bzw. zu berücksichtigen.

 

7 Schritte zur Gestaltung guter hybrider Bildschirmarbeit

Schritt 1: Begriffe, Anwendungsbereiche und Ziele definieren

Aushandlungsprozesse werden erleichtert und beschleunigt, wenn die Beteiligten zunächst ein gemeinsames Verständnis über die zu behandelnden Sachverhalte, den Umfang und die Ziele der zu erarbeitenden Vereinbarungen erzielen. Dazu gehören folgende Punkte:

  • Ziele, die mit der Einführung mobiler Bildschirmarbeit erreicht werden sollen, sollten einvernehmlich benannt werden, z. B. die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Verringerung des Berufspendelns, Wiedereingliederung nach Erkrankung, Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität oder betriebliche Kosteneinsparungen durch Desksharing etc.
  • Es gilt der Grundsatz der doppelten Freiwilligkeit: Beschäftigte haben grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Bildschirmarbeit in ihrem Privatbereich, andererseits kann der Arbeitgeber diese auch grundsätzlich nicht einseitig anordnen.
  • Es sollte geklärt werden, ob die betriebliche Vereinbarung neben der überwiegenden Form mobiler Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen im Privatbereich der Beschäftigten (Homeoffice) auch Regelungen zu Bildschirmarbeit an anderen Orten, z. B. unterwegs in der Bahn, im Flugzeug, auf Dienstreisen im Hotel oder im Anschluss oder in Verbindung mit Urlaub oder Workation, enthalten soll.
  • Bietet der Arbeitgeber die Möglichkeit zur mobilen Arbeit in seinem Betrieb an, hat der Betriebsrat im Hinblick auf deren Ausgestaltung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

 

Schritt 2: Geeignete mobile Bildschirmtätigkeiten festlegen

Die Erörterung der Kriterien für mobile Bildschirmarbeit schafft Handlungssicherheit für alle Beteiligten.

  • Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten gemeinsam die Kriterien für Bildschirmtätigkeiten festlegen, die auch außerhalb der Arbeitsstätte erledigt werden können.
  • Nicht jede betriebliche Bildschirmtätigkeit kann auch mobil ausgeführt werden. Gründe dafür sind beispielsweise Betriebsabläufe mit Anwesenheitserfordernis, Datenschutz- und Datensicherheitsaspekte oder besondere technische Anforderungen, z. B. spezielle Geräte zur Dateneingabe etc.
  • Die Festlegung über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf, unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bzw. § 80 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) und muss daher gemeinsam mit der Interessenvertretung erfolgen.
  • Der Betriebsrat ist in die Planung des Arbeitsablaufs durch eine rechtzeitige Unterrichtung gemäß § 90 BetrVG einzubeziehen, so dass die Anforderungen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Arbeitgeber beraten werden können. Auch in Betrieben ohne Betriebsrat sollten die Beschäftigten bei der Festlegung der Kriterien beteiligt werden.

 

Schritt 3: Zeitliche Rahmenbedingungen für hybride Bildschirmarbeit festlegen

Es soll Handlungssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bezug auf die Modalitäten für die hybride Bildschirmarbeit geschaffen werden.

  • Vereinbart werden sollte, welche zeitlichen Anteile von Bildschirmtätigkeiten an der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit maximal außerhalb der Arbeitsstätte ausgeführt werden dürfen sowie an welchen Tagen gegebenenfalls Anwesenheitspflicht im Betrieb besteht.
  • Auch Regelungen zur Erreichbarkeit bei Bildschirmarbeit außerhalb der Arbeitsstätte sollten vereinbart werden. Dabei sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zu beachten.
  • Sofern hybride Bildschirmarbeit mit Desksharing-Modellen verbunden wird, bei denen sich mehrere Beschäftigte Bildschirmarbeitsplätze im Betrieb teilen, ist zusätzlich zu vereinbaren, wie für die betroffenen Beschäftigten die Planbarkeit der Präsenzarbeit in der Arbeitsstätte sichergestellt wird. Hierzu ist der Betriebsrat nach § 90 BetrVG rechtzeitig zu unterrichten und die konkreten Maßnahmen sind mit ihm zu beraten.
  • Außerdem unterliegen diese Festlegungen der Mitbestimmung nach § 80 BPersVG und müssen daher gemeinsam mit der betrieblichen Mitarbeitervertretung erfolgen. Auch in Betrieben ohne Betriebsrat sollten die Beschäftigten bei der Festlegung beteiligt werden.

 

Schritt 4: Regelungen zur Aufteilung bzw. Übernahme der entstehenden Kosten treffen

Transparente und ausgewogene Regelungen zur Aufteilung der Kosten schaffen Handlungssicherheit für alle Beteiligten und vermeiden Konflikte.

  • Kosten für erforderliche Arbeitsmittel (Grundausstattung) und Maßnahmen des Arbeitsschutzes (§ 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) sind unabhängig vom Arbeitsort vom Arbeitgeber zu tragen.
  • Vereinbarungen, wonach Beschäftigte z. B. eigene Arbeitsmittel zur Verfügung stellen („Bring your own device“), sind zulässig und können auch Gegenstand betrieblicher oder tariflicher Regelungen sein.

 

Schritt 5: Gefährdungsbeurteilung durchführen, Maßnahmen festlegen und umsetzen

Die Gefährdungsbeurteilung ist auch bei hybriden Arbeitsmodellen die Grundlage für sichere, gesunde, motivierende und produktive Arbeitsbedingungen.

  • Die erforderliche Gefährdungsbeurteilung bei hybriden Arbeitsmodellen und die Umsetzung der auf dieser Basis festgelegten Maßnahmen erfolgt für Tätigkeiten außerhalb der Arbeitsstätte unter Einbeziehung der Beschäftigten.
  • Empfehlenswert sind z. B. Checklisten für die Gefährdungsbeurteilung, die von den Beschäftigten u.a. zur Erfassung der Umgebungsbedingungen und der Arbeitsplatzausstattung genutzt werden können.
  • Der Arbeitgeber hat anschließend auf dieser Basis die im Einzelfall erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen.

 

Schritt 6: Beschäftigte informieren und unterweisen

Hybrid arbeitende Beschäftigte müssen befähigt werden, ihren besonderen Mitwirkungspflichten zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeit außerhalb der Arbeitsstätte nachkommen zu können (Befähigung zur Eigenverantwortung).

  • Dazu sind die Beschäftigten in geeigneter Form, z. B. Aushang, E-Mail, Intranet oder auch im Rahmen von Teamsitzungen oder Informationsveranstaltungen, zu informieren.
  • Im Rahmen der Unterweisungen sind die Beschäftigten auf die festgelegten besonderen Mitwirkungspflichten bei hybrider Bildschirmarbeit hinzuweisen und zu befähigen, diesen Mitwirkungspflichten nachkommen zu können.
  • Hierbei ist auch auf Mitwirkungspflichten der Beschäftigten bei Wirksamkeitskontrollen des Arbeitgebers und bei Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden und Aufsichtsdienste der Unfallversicherungsträger einzugehen.

 

Schritt 7: Maßnahmen auf Wirksamkeit kontrollieren und ggf. anpassen

Wirksamer Arbeitsschutz basiert auf regelmäßiger Überprüfung der Zielerreichung und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen.

  • Wirksamkeitskontrollen des Arbeitgebers zu den im Privatbereich der Beschäftigten getroffenen Schutzmaßnahmen können beispielsweise durch Befragung der Beschäftigten, Fotodokumentation der Arbeitsbedingungen und/ oder Checklisten erfolgen.
  • Bei wesentlichen Änderungen der betrieblichen Rahmenbedingungen von hybrider Bildschirmarbeit (z. B. Änderung des zeitlichen Rahmens oder von Inhalten und Umfang der auszuführenden Bildschirmtätigkeiten, Einführung von Desksharing-Modellen usw.) sind die Schritte 1 bis 7 erneut zu durchlaufen, um systematisch Änderungsbedarfe an den bestehenden Regelungen zu ermitteln und umzusetzen.
  • Sofern sich Voraussetzungen lediglich seitens einzelner Beschäftigter ändern (z. B. Wohnungswechsel oder Änderung der individuell auszuführenden Bildschirmtätigkeiten), reicht eine erneute Durchführung beginnend bei Schritt 6.

 

 

Pflege von Angehörigen: Was passiert mit Job, Lohn und Rente?

 

Ob nach einem Unfall, einem Schlaganfall oder aufgrund einer Erkrankung: Menschen können auch ganz plötzlich zum Pflegefall werden. Für Angehörige eine belastende Situation. Und obendrein kommt die Frage: Was ist mit meinem Einkommen – und welche Rentenansprüche entstehen mir möglicherweise? 

Einmal im Kalenderjahr können sich Beschäftigte für akut auftretende Pflegesituationen für die Dauer von zehn Arbeitstagen von der Arbeit freistellen lassen, so Josephine Klose, Rechtsberaterin bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. 

Wie Klose in der Zeitschrift BAM (Ausgabe Juli/August) erklärt, besteht in dieser Zeit Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, sofern der Arbeitgeber nicht ohnehin aufgrund vertraglicher, tariflicher oder gesetzlicher Regelungen zur Entgeltzahlung verpflichtet ist. Das Pflegeunterstützungsgeld kann von nahen Angehörigen bei der Pflegekasse oder der privaten Pflegeversicherung des Bedürftigen beantragt werden und beträgt in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts. 

 

Längere Freistellung zur Pflege von Angehörigen ist möglich

Stellt sich heraus, dass die Pflege eines nahen Angehörigen für längere Zeit nötig ist, können sich Beschäftigte mit der Familienpflegezeit unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen – bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden im Jahresdurchschnitt. 

Das Pflegezeitgesetz erlaube bei Vorliegen der Voraussetzungen auch eine vollständige Freistellung von der Arbeit für die Dauer von sechs Monaten, erklärt die Rechtsberaterin weiter. Familienpflegezeit und Pflegezeit können auch nahtlos ineinander übergehen und dann bis zu maximal 24 Monate in Anspruch genommen werden. Bei beiden Varianten ist den Informationen zufolge ein besonderer Kündigungsschutz vorgesehen.

 

Rentenversicherung für viele Pflegende gewährleistet

Und auch die Absicherung für den Ruhestand kann während der Pflegezeit aufrechterhalten werden: Dafür sorgt das Anfang 2017 in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz. Seither sind Pflegepersonen in der Rentenversicherung bereits pflichtversichert, wenn sie einen Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 wöchentlich mindestens zehn Stunden lang an mindestens zwei Tagen in häuslicher Umgebung pflegen. Zuvor musste die Pflege an mindestens 14 Stunden wöchentlich geleistet werden. Ein Jahr Pflege erhöht die Rente – je nach Pflegegrad des Gepflegten und den für ihn gezahlten Leistungen – nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung in Bayern seit dem 1. Januar dieses Jahres um monatlich 6,65 Euro bis 35,16 Euro. 

 

 

Verbesserung der Situation von Pflegepersonen

 

Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Knapp ein Fünftel von ihnen wird in Pflegeheimen versorgt. Den Großteil der Pflege übernehmen jedoch Angehörige – eine Tätigkeit, die neben Zeit auch sehr viel Kraft kostet und sowohl psychisch als auch physisch belastend sein kann. Wollen Pflegende eine stationäre medizinische Rehabilitation in Anspruch nehmen, stellte sich bislang in der Regel die Frage, wer in dieser Zeit die Pflege übernimmt. Dies ändert sich zum 1. Juli: Pflegende Rehabilitanden können nun die von ihnen gepflegten Personen für die Zeit einer stationären Reha-Maßnahme in der jeweiligen Klinik unterbringen und versorgen lassen. Darauf weist die Deutsche Rentenversicherung Bund hin.

 

Grundlage für diese Verbesserung bildet § 42a Absatz 1 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI). Voraussetzung ist, dass die Reha-Klinik die Pflege während der gesamten Dauer der Rehabilitation der Pflegeperson gewährleisten kann. Ist das nicht möglich, können die Pflegekasse oder das private Pflegeversicherungsunternehmen die Aufnahme in einer vollstationären Pflegeeinrichtung in der Nähe der Rehabilitationseinrichtung veranlassen.

 

So funktioniert die Antragstellung

Versicherte, die eine von ihnen gepflegte Person in die Reha-Klinik mitaufnehmen lassen möchten, stellen neben dem Antrag auf eine stationäre medizinische Reha für sich (Formular G0100, G0250 oder G0202), auch einen Antrag auf Mitnahme der pflegebedürftigen Person (Anlage G0111). Diese muss hierbei zustimmen. Aktuell kann der Antrag nur schriftlich gestellt werden. Die Online-Antragstellung ist ab 1. Januar 2025 möglich.

 

Die passende Klinik finden

Auf www.meine-rehabilitation.de können Versicherte über den Filter „Begleitung – Mitnahme einer pflegebedürftigen Person“ eine Rehabilitationseinrichtung finden, die für ihr individuelles Krankheitsbild geeignet ist und Pflegebedürftige aufnimmt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund empfiehlt, vor der Antragstellung unbedingt Kontakt mit der Klinik aufzunehmen, um abzuklären, ob dort die Möglichkeit besteht, die pflegebedürftige Person mit ihren speziellen Einschränkungen aufzunehmen.

 

Bewilligt die Rentenversicherung den Antrag auf eine stationäre medizinische Reha der Pflegeperson, leitet sie automatisch den Antrag der pflegebedürftigen Person (G0111) an die zuständige Pflegekasse weiter. Diese entscheidet über den Antrag G0111 und koordiniert die gleichzeitige Durchführung beider Leistungen.

 

Wie Unternehmen der Rentenwelle begegnen

 

Auf den deutschen Arbeitsmarkt rollt eine Rentenwelle zu. Die Babyboomer gehen demnächst in den Ruhestand – und den Unternehmen rennt die Zeit davon. Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts werden rund vier Millionen Erwerbstätige der starken Geburtsjahrgänge 1954 bis 1968 in Rente gehen. 

Allein der Berliner Wirtschaft werden nach Berechnungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin in rund zehn Jahren über 400.000 Fachkräfte fehlen. Schon heute gebe es einen Mangel von 90.000 qualifizierten Beschäftigten, heißt es. Hinzu kommt, dass viele Ältere sogar vorzeitig in Rente gehen wollen. Demnach möchte sich laut einer Umfrage des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) fast jede und jeder dritte Erwerbstätige ab 50 Jahren (31,3 Prozent) früher aus dem Job verabschieden. 

Das bestätigen auch Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV): Von den rund 953.000 Menschen, die 2023 erstmalig eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, hätten mehr als die Hälfte (555.000) das reguläre Rentenalter noch nicht erreicht. 

 

Adieu Fachwissen?

Die Folgen können - gerade für kleine Unternehmen - dramatisch sein. Denn mit den erfahrenen Fachkräften verlieren Unternehmen auch für sie wertvolles Wissen. Und während immer mehr Adieu sagen, rücken nicht genügend jüngere Beschäftigte nach. Nach IHK-Angaben dauert die Suche nach einer Nachbesetzung in der Bundeshauptstadt im Schnitt über sechs Monate. Für eine ordentliche Übergabe bleibe oft nur wenig Zeit, oder Mitarbeiter gehen in den Ruhestand, ohne dass für eine Nachfolge gesorgt wurde. 

Die Bindung von älteren Beschäftigten liegt also im Interesse der Unternehmen. Manche Unternehmen haben das Problem erkannt und spezielle Programme zum (Wissens-)Erhalt ihrer älteren Beschäftigten eingeführt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter ausgewählten großen Unternehmen zeigt. “Es ist höchste Zeit, die Rente neu zu denken”, sagt etwa Continental-Personalvorständin, Ariane Reinhart. “Genau wie bei der Arbeitszeitgestaltung brauchen Unternehmen auch hier den notwendigen Gestaltungsspielraum.” Um Mitarbeiter kurz vor oder im Ruhestand zu halten, habe Continental ein spezielles Programm aufgelegt, in dem ältere Fachkräfte einen Kompetenzpool bilden, auf den das Unternehmen bei Engpässen oder Projekten zugreifen könne, teilte eine Sprecherin mit. 

 

Ältere Beschäftigte als Betriebslexikon

Auch Lufthansa setzt auf die Wieder- und Weiterbeschäftigung von erfahrenen Fach- und Führungskräften, wie ein Sprecher schreibt. Ziel sei es, dem Fachkräftemangel durch erfahrene Expertinnen und Experten zu begegnen und so den Wissenstransfer zwischen den Generationen zu sichern. Ähnliches teilt auch Mercedes-Benz auf Anfrage mit. So könnten etwa altersbedingt ausgetretene Experten ihr Wissen zeitlich befristet in Projekteinsätzen einbringen. 

Während Unternehmen verstärkt auf den generationsübergreifenden Wissensaustausch setzen, würden ältere Menschen aber nach Arbeitsmodellen suchen, die ihren persönlichen Interessen entsprächen, sagt Wirtschaftswissenschaftler und Vizepräsident des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Ulrich Walwei. “Die Herausforderung besteht darin, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie sowohl den Bedürfnissen der älteren Mitarbeitenden als auch den strategischen Zielen des Unternehmens entsprechen.”

Erfolgsmodell flexible Arbeitszeiten?

Laut der TK-Umfrage könnten etwa flexible Arbeitszeitmodelle (73,7 Prozent) und mehr Gehalt (66,5 Prozent) ältere Erwerbstätige von einem vorzeitigen Renteneintritt abhalten. So ist es keine Überraschung, dass Großunternehmen wie etwa die Deutsche Bank, Commerzbank oder die Allianz nach eigenen Angaben die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten lockern oder hybrides Arbeiten ermöglichen.  “Das ist allerdings nicht in allen Jobs, insbesondere in der Schichtarbeit, leicht umsetzbar”, meint Rentenexperte Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). 

So bieten von mehr als 300 bundesweit befragten Arbeitgebern im Auftrag der TK-Studie nur etwas mehr als die Hälfte (57 Prozent) flexiblere Arbeitszeiten an. Ähnlich verhält es sich mit der Möglichkeit, den Übergang in den Ruhestand individuell zu gestalten, was nach Angaben des Versicherers nicht einmal die Hälfte der Arbeitgeber umsetzt (48,8 Prozent). Für Unternehmen sei es wichtiger, den Produktionsablauf zu gewährleisten, als viele Ältere in der Beschäftigung zu halten, erklärt DIW-Rentenexperte Geyer.

 

Teilrente kann Auswirkungen auf die Betriebsrente haben

 

Spätestens kurz vor der Rente fangen viele angehende Ruheständler an zu rechnen: Wie viel Geld brauche ich? Wie viel kommt durch die Rente rein? Mit welchen Abschlägen muss ich rechnen und lassen sich diese irgendwie reduzieren? Vor allem manche Frührentner könnten dann womöglich auf die Idee kommen, sich zunächst nur einen Teil ihrer Rente auszahlen zu lassen - also die sogenannte Teilrente zu beantragen. Denn dadurch können sie sich weitere Rentenansprüche erarbeiten und die Abschläge minimieren.

Aber Achtung: Bevor sich angehende Rentnerinnen und Rentner für diesen Schritt entscheiden, sollten sie zum einen eine professionelle Rentenberatung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in Anspruch nehmen. Und zum anderen unbedingt auch prüfen, ob ihnen von Arbeitgeberseite eine Betriebsrente zusteht. Ist das der Fall, sollten sie bei ihrem (Ex-)Arbeitgeber oder dem zuständigen Betriebsrententräger eine verbindliche Rechtsauskunft einholen, inwieweit sich die Teilrente auf die Betriebsrente auswirken kann, rät die DRV. Denn sonst kann es unter Umständen ein böses finanzielles Erwachen geben.

 

Entscheidung kann jederzeit rückgängig gemacht werden

Der Grund: Manche Satzungen oder Versorgungsordnungen sehen vor, dass die Betriebsrente erst ab dem Zeitpunkt gezahlt wird, an dem die gesetzliche Rente als Vollrente bezogen wird. Bei Teilrentenbezug hätten Betroffene dann also keinen Anspruch auf Betriebsrente. Schlecht, wenn man fest mit dieser Zahlung gerechnet hat. Die Grundlage für diese Vorgehensweise findet sich im Betriebsrentengesetz. Dort heißt es: “Wird die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf einen Teilbetrag beschränkt, können die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung eingestellt werden.”

Einen Trost gibt es für Ruheständler, die davon nichts wussten: Die Entscheidung für eine Teilrente ist jederzeit rückgängig zu machen. Mit einem formlosen Antrag können Rentnerinnen und Rentner grundsätzlich Monat für Monat neu entscheiden, ob sie eine Teil- oder Vollrente beziehen möchten.

 

Wann darf der Arbeitgeber beim Aussehen mitreden?

 

Von der Hosenfarbe bis zu den Fingernägeln: Grundsätzlich dürfen Beschäftige selbst entscheiden, wie sie bei der Arbeit erscheinen. Teils aber können Arbeitgeber mitreden, wenn es um das Auftreten ihrer Mitarbeitenden geht. Wie weit reicht dieses Recht?

 

Eine wichtige Einschränkung: Arbeitgeber dürfen nur mit einer guten Begründung Vorgaben zum Aussehen ihrer Mitarbeitenden machen, so Volker Görzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA). Dabei geht es um die Abwägung zwischen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und dem grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten.

 

Hygienische Gründe und Sicherheitsvorschriften

 

Unter bestimmten Bedingungen – etwa aus hygienischen Gründen oder wegen der geltenden Sicherheitsvorschriften – kann das Direktionsrecht des Arbeitgebers Vorgaben zum Aussehen umfassen. Auch eine einheitliche Corporate Identity könne zur Einführung einer Dienstuniform führen, so der Fachanwalt weiter.

 

Wer Kundenkontakt hat, muss den Angaben zufolge möglicherweise ebenfalls strengere Vorgaben einhalten. Solche Vorschriften seien in der Regel wirksam, solange sie das Privatleben nicht beeinträchtigen.

 

Eine weitere Maßgabe für Arbeitgeber: Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild dürfen nicht diskriminierend sein. Zum Beispiel darf nicht ohne Weiteres das Tragen religiöser Symbole verboten werden. Auch darf ein Arbeitgeber nicht alle weiblichen Mitarbeiter dazu zwingen, Röcke oder hohe Schuhe zu tragen, wenn das nicht auch für die männlichen Mitarbeiter vorgeschrieben ist.

 

Gesellschaftsnormen ändern sich

 

Bei der Frage, was als angemessen gilt und was nicht, spielen auch gesellschaftliche Vorstellungen eine Rolle. Und die können sich mitunter schnell ändern. Das zeigt sich etwa bei Tattoos, Bärten oder bestimmten Frisuren. Viele Fälle, in denen Gerichte zur Angemessenheit bestimmter Äußerlichkeiten entschieden haben, lassen sich deshalb auch nicht einfach auf die heutige Zeit übertragen.

 

Im besten Fall finden sich die Vorgaben zu Kleidervorschriften und Co. im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. Wer sich dann widersetzt, riskiert unter Umständen eine Kündigung oder Abmahnung. Wichtig: Der Betriebsrat hat bei Regelungen über eine einheitliche Dienstkleidung ein Mitbestimmungsrecht, so Görzel.