Deutsche Rentenversicherung

Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Vorgründungs-GmbH

Der Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) unterliegt grundsätzlich nicht der Sozialversicherungspflicht, sofern er aufgrund seines Kapitalanteils maßgeblichen Einfluss auf die GmbH nehmen kann oder beherrschend im Unternehmen tätig ist.

Der Geschäftsführer einer GmbH steht nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, wenn er

  • funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilnimmt,
  • für seine Geschäftsführertätigkeit ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhält und
  • keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH kraft seines Anteils am Stammkapital geltend machen kann.

Dies gilt für die Gesellschafter bzw. Geschäftsführer einer Vorgründungs-GmbH entsprechend.

Das BSG misst bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vor allem der Rechtsmacht des Betroffenen besonders große Bedeutung bei; eine eventuelle faktische Machtposition im Unternehmen fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht (Ausführungen zu den BSG-Urteilen vom 29. August 2012 vgl. summa summarum Ausgaben 6/2012 und 4/2013). Die Rechtsmacht kann auch nicht wirksam durch Stimmbindungsvereinbarungen oder ähnliche Gestaltungen abbedungen werden.

Darüber hinaus hat das BSG mit Urteil vom 30. April 2013 konkretisiert, dass sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Erwerbstätigkeit im Einzelunternehmen eines Familienangehörigen nicht wesentlich von der Erwerbstätigkeit in einer Familien-GmbH unterscheidet (Details vgl. summa summarum Ausgabe 1/2014).

Mit seinen Urteilen vom 29. Juli 2015 ( B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R) hat das BSG seine „Rechtsmacht-Rechtsprechung“ konsequent weitergeführt. Weder faktische Weisungsfreiheit in der betrieblichen Praxis noch alleiniges Fachwissen noch Bürgschaften noch weitreichende Befugnisse bei der Unternehmensführung können die Rechtsmacht ersetzen. Im Konfliktfall zählt nur diese (vgl. summa summarum Ausgabe 3/2016).

Am 11. November 2015 hat sich das BSG in drei Urteilen insbesondere mit der Wirkung von Stimmbindungsverträgen, Stimmrechtsübertragungen und Stimmrechtsvollmachten befasst. Der erkennende Senat hat überdies die Auffassung der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH bestätigt (vgl. summa summrum Ausgaben 1/2016 und 3/2016):

In dem Verfahren B 12 KR 10/14 R ging es um die Frage, ob allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse und finanzielle Einstandspflichten gegenüber der GmbH einen Gesellschafter-Geschäftsführer zu einem Selbständigen machen. Das BSG hat entschieden, dass die Annahme eines eigenen Unternehmerrisikos nicht allein deshalb gerechtfertigt ist, dass der Kläger für die GmbH hohe Darlehensverbindlichkeiten einging und eine weitere Darlehensforderung gegen die GmbH erwarb. Ebenso verhält es sich mit dem Umstand, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH Gehalt als Darlehen zur Verfügung stellt. Zugunsten einer Selbständigkeit wirkte sich auch die gesellschaftsrechtliche Stellung der nur mit 6 % bzw. 30 % am Stammkapital der GmbH beteiligten und auch nicht über eine Sperrminorität verfügenden Kläger nicht aus. Das BSG misst einer nur auf Zeiten eines harmonischen Zusammenwirkens unter Familienmitgliedern beschränkten „Schönwetter-Selbständigkeit“ sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu. Ebenso ist es irrelevant, wenn der Kläger aufgrund seiner Fachkenntnisse und seiner faktischen Stellung „Kopf und Seele“ der GmbH gewesen sei. Das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände steht einer Anerkennung entsprechender für das Leistungsrecht entwickelter Grundsätze im Versicherungsrecht entgegen.

In dem Verfahren B 12 KR 13/14 R ging es um die Wirkung eines Stimmbindungsvertrags. An der Eigenschaft als Beschäftigte änderte sich nichts dadurch, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann einen „Stimmbindungsvertrag“ abschloss. Sie erhielt auch dadurch im Innenverhältnis keine Rechtsmacht eingeräumt, die es ihr gestattet hätte, Einzelweisungen des Geschäftsführers an sich im Bedarfsfall jederzeit zu verhindern. Eine Stimmrechtsvereinbarung ist nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse ohne weiteres mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Der Stimmbindungsvertrag kann von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei Eintreten eines Konfliktfalls zwischen den Gesellschaftern käme es daher allein auf die den Beteiligten aufgrund des Kündigungsrechts zustehende Rechtsmacht an.

In dem Verfahren B 12 R 2/14 R hat sich das BSG mit der Wertung einer Stimmrechtsübertragung befasst. Das BSG hat es als gesellschaftsrechtlich unwirksam und sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich angesehen, dass dem zu Beurteilenden von seiner Ehefrau (= Mehrheitsgesellschafterin und Alleingeschäftsführerin) und später vom gemeinsamen Sohn der Eheleute GmbH-Stimmrechte übertragen wurden. Nach dem gesellschaftsrechtlichen Abspaltungsverbot kann das Stimmrecht eines Gesellschafters nämlich nicht ohne den dazugehörigen Geschäftsanteil übertragen werden (vgl. BGH-Urteil vom 11. November 1976, Az. II ZR 119/75). Es konnte offen bleiben, ob die getroffenen Vereinbarungen jeweils ersatzweise als Stimmrechtsvollmacht auszulegen sind. In beiden Fällen hätte die Ausübung des Stimmrechts nur widerruflich übertragen werden können, weil eine Stimmrechtsvollmacht nach der Rechtsprechung des BGH widerruflich sein muss (vgl. Urteil vom 11. November 1976, Az. aaO.). Eine der Abtretung des Stimmrechts gleich zu setzende Vollmacht ist unwirksam (vgl. BGH-Urteil vom 17. November 1986, Az. II ZR 96/86). Im Fall einer Stimmrechtsvollmacht hätte die Ehefrau des zu Beurteilenden, später sein Sohn, jederzeit die Vollmacht widerrufen und so wieder vollumfänglich über ihr/sein Stimmrecht verfügen können.

Am 14. März 2018 hat der 12. Senat des BSG zwei weitere Entscheidungen zu Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH getroffen. In beiden Fällen betonte das BSG, dass es nicht darauf ankomme, dass ein Geschäftsführer einer GmbH im Außenverhältnis weitreichende Befugnisse habe und ihm häufig Freiheiten hinsichtlich der Tätigkeit, z. B. bei den Arbeitszeiten, eingeräumt würden. Entscheidend sei vielmehr der Grad der rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (B 12 KR 13/17 R und B 12 R 5/16 R).

Unter welchen Bedingungen auch bei mitarbeitenden Mehrheitsgesellschaftern einer GmbH ohne Geschäftsführerfunktion ein Beschäftigungsverhältnis anzunehmen ist, hat das BSG in einer Entscheidung vom 12. Mai 2020 (B 12 KR 30/19 R) ausgeführt. Dies ist dann der Fall, wenn es dem Mehrheitsgesellschafter aufgrund satzungsrechtlicher Einschränkungen nicht möglich ist, die eigene Abhängigkeit – ausgedrückt durch das ihm gegenüber bestehende Direktionsrecht des Geschäftsführers – jederzeit durch Herbeiführung eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses beenden zu können (weitere Ausführungen in summa summarum Ausgabe 4/2020).

Rechtsanwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind, können aufgrund abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein. Dies ist nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege sind (BSG-Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 R 4/20 R). Ausführliche Informationen zu diesem Themenkomplex können der Ausgabe 1/2023 von summa summarum entnommen werden.

Darüber hinaus enthält die Anlage 3 des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung „Statusfeststellung von Erwerbstätigen“ vom 1. April 2022 weitere detaillierte Ausführungen.

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