Deutsche Rentenversicherung

Selbstständig oder abhängig beschäftigt – Scheinselbstständigkeit erkennen

Eine Lehrerin sitzt vor der Tafel und schreibt in das LehrerbuchQuelle:DRV Eine Lehrerin sitzt vor der Tafel und schreibt in das Lehrerbuch

Als scheinselbstständige Arbeitnehmer werden Personen bezeichnet, die formal wie selbstständig Tätige (Auftragnehmer) auftreten, tatsächlich jedoch abhängig Beschäftigte sind.

Kurz gesagt ist tatsächlich selbständig, wer das unternehmerische Risiko in vollem Umfang selbst trägt und seine Arbeitszeit frei gestalten kann. Der Erfolg des finanziellen und persönlichen Einsatzes ist dabei ungewiss und hängt nicht von dritter Seite ab.

Wichtig für die Beurteilung ist vor allem die Ausgestaltung von Verträgen mit Ihren Geschäftspartnern. Weicht der berufliche Alltag aber vom Vertrag ab, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse und die Ausgestaltung der Beschäftigung an.

Wie schwierig die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung sein kann, zeigen auch die vielfältigen Bemühungen hier einheitliche Vorgaben zu geben. So wurde beispielsweise im April 2024 die Plattform-Richtlinie der Europäischen Union verabschiedet. Sie beschäftigt sich mit Beschäftigungsverhältnissen bei Firmen wie Uber oder Lieferando.

In Kürze: Fünf Merkmale einer Scheinselbständigkeit

Müssen Sie wie ein Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis handeln, gelten Sie als scheinselbständig. Kurz zusammengefasst, kann eines oder mehrere der folgenden Merkmale auf eine Scheinselbständigkeit hinweisen:

  • Sie haben die uneingeschränkte Verpflichtung, allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten
  • Sie müssen bestimmte Arbeitszeiten einhalten
  • Sie haben die Verpflichtung, dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zukommen zu lassen
  • Sie arbeiten in den Räumen des Auftraggebers oder an von ihm bestimmten Orten
  • Sie haben die Verpflichtung, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbesondere Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers verbunden sind

Woran Sie eine echte Selbstständigkeit erkennen

Abstrakte, für alle Beschäftigungsverhältnisse geltende Merkmale, lassen sich nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen freier Dienst- oder Werkverträge erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Entscheidendes Merkmal bei der Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung – mit der Folge der Sozialversicherungspflicht – ist die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten vom Arbeitgeber. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag.

Die Merkmale sind nicht statisch. Sie werden laufend fortentwickelt und konkretisiert. Der Gesetzgeber hat keine fixen Einzelmerkmale vorgegeben, sondern sich für die Umschreibung eines Typus der Beschäftigung entschieden. Diese gesetzliche Regelungstechnik macht den Beschäftigungsbegriff flexibel.

Abgrenzungskriterien – Merkmale für eine abhängige Beschäftigung

Um die Frage der persönlichen Abhängigkeit (Nichtselbstständigkeit) korrekt beantworten zu können, sind die folgenden Merkmale zu berücksichtigen und der Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen:

  • Weisungsgebundenheit (kann sich bei Hochqualifizierten und Spezialisten in einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess ausdrücken).
  • Eingliederung in den Betrieb.
  • Keine Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit kennzeichnet das Beschäftigungsverhältnis.
  • Keine eigene Betriebsstätte.
  • Keine im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitstätigkeit.
  • Keine Tragung des Unternehmerrisikos. Ein Unternehmerrisiko trägt, wer eigenes Kapital oder eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzt.
  • Wirtschaftliche Abhängigkeit.
  • Vereinbarung, Lohnabzüge vornehmen zu lassen.
  • Vereinbarung von Urlaub,
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Zusätzlich zu den genannten Abgrenzungskriterien kann zur Beurteilung des Gesamtbilds einer Beschäftigung oder Tätigkeit auch die steuerliche Behandlung der erzielten Einkünfte Indiz für die versicherungsrechtliche Beurteilung der ausgeübten Tätigkeit sein.

Zusätzliche Abgrenzungskriterien des Bundessozialgerichtes

Das Bundessozialgericht prüft und verhandelt Einzelfälle. Im Rahmen dieser Verfahren schärft das Gericht dabei immer wieder die bereits geltenden Regelungen, indem es beispielsweise die Gewichtung der Merkmale im Rahmen der Gesamtabwägung verändert.

So hat das Bundessozialgericht beispielsweise 2018 in einem Fall entschieden, das der vertraglichen Vereinbarung eine wichtige Rolle zukomme. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2022 betonte es aber, dass es sich aufgrund des Schutzzweckes der Sozialversicherung verbiete, dass die Parteien allein über vertragliche Vereinbarungen über das Bestehen der Sozialversicherungspflicht entscheiden dürften. Maßgeblich sei allein die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit. Das Gericht tritt damit auch einer verbreiteten Praxis entgegen, immer wieder Modelle zu schaffen, mit denen eine abhängige Beschäftigung umgangen werden soll.

Aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes leiten sich folgende weitere Kriterien ab, die bei der Abgrenzung der Selbstständigkeit von der Abhängigkeit im Rahmen der Gesamtabwägung aller die jeweilige Tätigkeit prägenden Umstände herangezogen werden können.

  • Besteht seitens des Auftragnehmers Entscheidungsfreiheit darüber, wann und wie viel Betriebsmittel/Transportmittel/Produktionsmittel angeschafft werden und wie die Anschaffung finanziert wird?
  • Liegt Entscheidungsfreiheit des Auftragnehmers über die Zahlweise der Kunden (z. B. sofortiger Bareinzug, Stundungsmöglichkeiten usw.) vor?
  • Besteht Dokumentationspflicht des Auftragnehmers über seine Arbeit (detaillierte Berichtspflicht)?
  • Existiert Entscheidungsspielraum des Auftragnehmers bezüglich Preiskalkulation sowie Aufbau von Vertrauen unter Geschäftsleuten?
  • Sind beim Auftragnehmer eigene Betriebsmittel (z. B. Pkw) vorhanden?
  • Setzt der Auftragnehmer eigenes Betriebskapital ein?
  • Werden die Leistungen ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erbracht?
  • Ist dem Auftragnehmer eigene Kundenakquisition erlaubt?
  • Haftet der Auftragnehmer dem Auftraggeber bei Schäden an Produktion oder Produktionsgütern bzw. Produktionsmitteln, wenn der Auftraggeber von einem Kunden in Anspruch genommen wird?
  • Sind Auftragsvertrags- und Überwachungssysteme so ausgestaltet, dass eine laufende Kontrolle (z. B. über ein Betriebs-Funksystem) für den Auftraggeber jederzeit möglich ist?
  • Hat der Auftragnehmer eigene Werbungsmöglichkeiten?
  • Unterhält der Auftragnehmer eigene Geschäftsräume?
  • Führt der Auftragnehmer Geschäftsbücher?
  • Benutzt der Auftragnehmer eigene Firmenbriefbögen?
  • Bezieht der Auftragnehmer festes Gehalt oder ist er vor allem am Umsatz beteiligt?
  • Wie werden die Einkünfte durch das Finanzamt bewertet?
  • Erzielt der Auftragnehmer erheblich höhere Einkünfte als ein vergleichbar Beschäftigter und ist dadurch eine soziale Absicherung in Eigenvorsorge möglich? Die Honorarhöhe ist Ausdruck des Parteiwillens und spielt nur dann eine Rolle, wenn sich die Argumente für abhängige Beschäftigung und selbständige Tätigkeit ansonsten gegenseitig aufheben.

Auftraggeber ist in der Pflicht

Der Auftraggeber hat – wie auch sonst jeder Arbeitgeber bei seinen Mitarbeitern – zu prüfen, ob ein Auftragnehmer bei ihm abhängig beschäftigt oder für ihn selbstständig tätig ist.

Ist ein Auftraggeber der Auffassung, dass im konkreten Einzelfall keine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist zwar formal von ihm nichts zu veranlassen. Er geht jedoch das Risiko ein, dass bei einer Betriebsprüfung der Sachverhalt anders bewertet und dadurch die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen erforderlich wird.

Falls Sie als Auftraggeber oder Auftragnehmer zweifeln, ob es sich bei Ihnen um eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit handelt, können sie bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren den sozialversicherungsrechtlichen Status prüfen lassen. Insbesondere bei Erwerbstätigen, die dauerhaft fast vollständig nur für einen Auftraggeber arbeiten, schützt eine Prüfung vor späteren Unstimmigkeiten.

Die Prüfung müssen Sie beantragen. Der Antrag kann schriftlich oder elektronisch gestellt werden.

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