Deutsche Rentenversicherung

Die Geschichte der Deutschen Rentenversicherung

Begleiten Sie hier die gesetzliche Rentenversicherung von ihren Anfängen bis heute – durch stürmische Zeiten, die sie oft bis an den Abgrund führten.   

1889: So fing es an

Mit dem „Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung“ von 1889 fiel in Deutschland der Startschuss für die gesetzliche Rentenversicherung. Schon sechs Jahre vorher wurde die gesetzliche Krankenversicherung gegründet und fünf Jahre vorher die Unfallversicherung.

Es war ein bescheidenes soziales Netz, das Reichskanzler Otto von Bismarck geknüpft hatte – aber es war vorbildlich in Europa. Und es war mehr als überfällig, denn die Industrialisierung stürzte im 19 Jahrhundert die arbeitende Bevölkerung ins Elend. Bismarck erkannte die Gefahr. Mit diesen ersten drei Sozialgesetzen versuchte er, die Arbeiterschaft wieder mehr an den Staat zu binden und ihre Radikalisierung zu verhindern.

Rente mit 70

Alle Arbeiterinnen und Arbeiter ab 16 Jahren waren rentenversichert, dazu „kleine Angestellte“ mit einem Jahresgehalt bis 2.000 Mark. Der Beitragssatz zur neuen Rentenversicherung betrug rund zwei Prozent, die Beiträge zahlten wie heute Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen. Einen staatlichen Zuschuss gab es auch damals schon. Er betrug 50 Mark im Jahr.

Eine Altersrente konnten Versicherte ab 70 mit mindestens 30 Beitragsjahren bekommen. Und die Rentenhöhe? Ein Arbeiter mit einem Jahresverdienst zwischen 550 und 850 Mark erhielt jährlich 162 Mark aus der neuen Rentenkasse. Wurde er erwerbsunfähig, so kam ein Jahresbetrag von 60 Mark hinzu. Wer von Invalidität bedroht war, konnte ein Heilverfahren  bekommen. Denn die Rehabilitation zählte von Anfang an zu den Leistungen der Rentenversicherung.

Um nachzuweisen, dass sie Beiträge geleistet hatten, kauften Versicherte Marken bei den staatlichen Postämtern. Diese Marken klebten sie auf Quittungskarten. Die neuen Versicherungsanstalten hießen darum im Volksmund auch „Klebekisten“.

Landesversicherungsanstalten entstanden

Im Laufe des Jahres 1890 wurden in den deutschen Bundesstaaten 31 Versicherungsanstalten gegründet, die sich später Landesversicherungsanstalten (LVAen) nannten. Allein 13 entstanden im Königreich Preußen, dem größten und bedeutendsten Bundesstaat im Deutschen Reich. 

Sie erhoben die Beiträge, zahlten die Renten und gewährten die Heilbehandlungen in ihrem Zuständigkeitsgebiet.

Mit rund 60.000 Versicherten war im Jahr 1895 die Versicherungsanstalt Oldenburg die kleinste und mit über einer Million Versicherten die Versicherungsanstalt Schlesien die größte „Klebekiste“.

Von Anfang an mit Selbstverwaltung

Die Beitragszahler, also Versicherte und Arbeitgeber, regierten auch damals schon ihren Rentenversicherer selbst. Dieses Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung funktioniert bis heute in der gesamten deutschen Sozialversicherung und ist in dieser Form einzigartig.

Die wichtigsten Entscheidungen des Trägers trafen der sogenannte Ausschuss und der Vorstand. Der Ausschuss, den wir heute Vertreterversammlung nennen, war zu gleichen Teilen mit Versicherten und Arbeitgebern besetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte der Beschluss der Satzung, die Prüfung der Jahresrechnung und die Entlastung des Vorstands, über den er als Kontrollorgan wachte.

Auch der Vorstand setzte sich aus gewählten Vertretern der Versicherten und Arbeitgeber zusammen. Dazu kamen noch Verwaltungsbeamte der Landesbehörden. Seine wichtigsten Aufgaben: Er verwaltete die Versicherungsanstalt und ihr Vermögen und vertrat sie sowohl vor Gericht als auch außergerichtlich.

Die ersten Rentnerinnen und Rentner

Im Jahr 1891 zahlten die Versicherungsanstalten schon rund 126.400 Altersrenten aus. Für diese ersten Renten hatte aber noch niemand Beiträge einbezahlt. Eine Übergangsbestimmung machte das möglich: Eine Rente durfte beziehen, wer über 70 war und unmittelbar vor dem Start des Rentengesetzes mindestens drei Jahre gearbeitet hatte.

Volle Kassen

So finanzierte sich die Rentenversicherung in ihren ersten Jahrzehnten: Ihre Beiträge waren so berechnet, dass sie für zehn Jahre alle Ausgaben deckten und darüberhinaus noch Geld für Rücklagen übrig war. So kam es, dass die Landesversicherungsanstalten vor dem Ersten Weltkrieg über ein erhebliches Vermögen verfügten.

Zum Wohle der Armen

Das Geld steckten die LVAen nach dem Willen ihrer Selbstverwaltungen in den sozialen Wohnungsbau und die Gesundheitsvorsorge. Darum entstanden mit Unterstützung der Rentenversicherung überall im Deutschen Reich Arbeitersiedlungen. Sie brachten damit die Arbeiter aus den Elendsvierteln der Vorstädte. Das war bitter nötig, denn aufgrund schlechter Wohnverhältnisse, fehlender Hygiene, aber auch mangelhafter Ernährung und körperlicher Überanstrengung grassierte vor allem in der Arbeiterschaft die Tuberkulose. Sie wurde damals zur Volksseuche Nummer eins.

Die Rentenversicherung hielt dagegen: Sie schickte Kranke in geeignete Sanatorien und baute auch immer mehr eigene Heilstätten. Sie half beim Bau von Auskunfts- und Fürsorgestellen, die für die Gesundheitsaufklärung zuständig waren. Auch mit Hilfe der Rentenversicherung in Deutschland konnte die Infektionskrankheit Tuberkulose in unserem Land besiegt werden.

Rehabilitation

Von Beginn an gab die Rentenversicherung auch Geld für die Reha aus – wenn diese Ausgaben auch gering ausfielen, wie das Beispiel der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz aus Düsseldorf zeigt: Gerade einmal 10 Mark hatte man dort im Jahr 1891 für Heilverfahren erübrigt. Doch bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges legten die Düsseldorfer kräftig zu: Ende 1913 wurde schon 29,5 Millionen Mark für die Reha aufgebracht. Damit lagen sie an der Spitze der deutschen Versicherungsanstalten.

1911: Reichsversicherungs-
ordnung

Im Jahr 1911 verabschiedete der Berliner Reichstag die Reichsversicherungsordnung (RVO),  ein Jahr später trat sie in Kraft. Die RVO fasste die Regelungen der Arbeiterkrankenversicherung, des Unfallversicherungsrechts sowie des Invaliditäts- und Altersversicherungsrechts zum ersten Mal zusammen. Sie blieb bis 1992 das Kernstück des deutschen Sozialrechts.

Die Reichsversicherungsordnung erweiterte den versicherungspflichtigen Personenkreis: Ab sofort hatten Hinterbliebene Anspruch auf eine Rente von der  Arbeiterrentenversicherung.

Rentenversicherung der Angestellten

Das Versicherungsgesetz für Angestellte trat 1913 in Kraft. Für sie war seitdem die neue Reichsversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin zuständig. Auch diesen zentralen Rentenversicherungsträger regierte eine Selbstverwaltung.

Angestellte konnten bereits ab 65 Jahren eine Altersente beziehen und hatten früher Anspruch auf eine Invalidenrente als Arbeiter. Außerdem waren ihre Hinterbliebenen besser abgesichert.

Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten war damit getroffen. Sie sollte erst mit der Organisationsreform der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2005 aufgehoben werden.

Leere Kassen

Die Zeit der vollen Kassen endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914. Die deutsche Wirtschaft wurde auf Kriegsproduktion umgestellt. Entlassungswellen und steigende Arbeitslosigkeit bedeuteten für die Versicherungsträger schwindende Beiträge. Während der Kriegsjahre 1914 bis 1918 stieg die Zahl der Hinterbliebenenrenten sprunghaft an, denn der Krieg hinterließ viele Witwen und Waisen. Für Arbeiter gab es eine Verbesserung: Sie konnten nun bereits ab 65 Jahren eine Altersrente beziehen.

Inflation

Der Erste Weltkrieg kostete die Rentenversicherer ein beträchtliches Vermögen. Schwer in Mitleidenschaft gezogen war zum Beispiel auch die LVA Schleswig-Holstein. Sie hatte während des Krieges 32 Millionen Mark aus ihrem Anstaltsvermögen in Kriegsanleihen angelegt und verloren. Doch die Rentenversicherung überstand auch die auf den Krieg folgende  Inflation.

Sagenhafte 1,16 Billionen Mark waren der höchste Wochenbeitrag, den ein Angestellter im Dezember 1923 leistete. Und dennoch hätte er sich von diesem Geld nicht einmal ein Brot kaufen können. Die Inflation von 1918 bis 1923 vernichtete 90 Prozent des angesammelten Kapitals der Rentenversicherung.

Die Einführung der „Rentenmark“ die später durch die „Reichsmark“ ergänzt wurde, beendete die Inflation Ende 1923. Die Rentenversicherung konnte mit dem Wiederaufbau ihres Leistungssystems beginnen.

Die „Reichsknappschaft“

Im Jahr 1923 verabschiedete der Reichstag das Reichsknappschaftsgesetz. Es fasste die bis dahin zersplitterten Versicherungen der Knappschaftsvereine unter dem Dach der selbstverwalteten Reichsknappschaft zusammen.

Schutz für Arbeitslose

Eine bedeutende Leistung der Weimarer Republik war die Einführung einer Arbeitslosenversicherung im Jahr 1927. Die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung als Träger der Arbeitslosenversicherung wurde gegründet.

1933: Das Dritte Reich

Am 30. Januar 1933 übernahmen Adolf Hitler und die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland. Damit begann die Verfolgung der Regimegegner und der jüdischen Bevölkerung. Schnell durchzogen die Nationalsozialisten alle Lebensbereiche mit ihrer Ideologie. Im gesamten öffentlichen Dienst wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, die aus politischen, weltanschaulichen oder „rassischen“ Gründen nicht ins braune Weltbild passten.

Die neuen Machthaber schafften bereits im Mai 1933 die Selbstverwaltung ab. Die Führung jedes Rentenversicherungsträgers übernahm ein regimetreuer „Leiter“.

Die Rentenversicherer mussten große Teile ihres Vermögens in Reichsanleihen anlegen. Damit finanzierte Hitler unter anderem seine Kriegsvorbereitungen.

Die nationalsozialistische Ideologie wurde auch in der Rentenversicherung systematisch umgesetzt. Schritt für Schritt beraubte man die jüdische Bevölkerung und andere verfolgte Personengruppen ihrer Leistungsansprüche.

1945: Stunde null

8. Mai 1945 – in Deutschland war der Zweite Weltkrieg vorbei. Das Land lag in Trümmern. Auch bei den Rentenversicherungsträgern herrschten chaotische Zustände, denn der Krieg hatte viele Aktenbestände vernichtet.

Trotz der kritischen Finanzlage gelang es aber, ab Mitte 1945 Renten über die Postämter auszuzahlen.

Die Alliierten teilten Deutschland unter sich auf. Im Osten, in der sowjetisch besetzten Zone, führten die Russen eine Einheitsversicherung ein. Sie legten 1945 die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte still. Ihre Aufgaben übertrugen sie den Landesversicherungsanstalten, die im Westen ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten. Erst mit der Gründung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Jahr 1953 erhielt die Angestelltenversicherung wieder einen eigenen Träger.

Mit der Währungsreform von 1948 wurde in den drei Westzonen die Reichsmark zur Deutschen Mark. Die Reform führte vor allem im Westen zu einer Erholung der Wirtschaft sowie steigenden Löhnen und wachsenden Beitragseinnahmen in der Rentenversicherung.

Die Renten aber blieben hinter den Löhnen zurück, sodass in den ersten Nachkriegsjahren die Altersarmut unter Rentnerinnen und Rentnern verbreitet war. 

So lag im Jahr 1950 eine durchschnittliche monatliche Rente eines Arbeiters bei 60,50 Mark und damit nur gut 10 Mark über der gesetzlichen Mindestrente von 50 Mark. Dies führte zu einer immer größeren Unzufriedenheit der Rentner. Hinzu kam, dass sie durch den Krieg in vielen Fällen ohne lebende Kinder dastanden. Die Rente, die ursprünglich nur als Zuschuss zur familiären Sicherung im Alter gedacht war, wurde nun für viele Rentner einzige Einkommensquelle. Sie reichte aber nicht für den Lebensunterhalt. An dem steilen Wirtschaftsaufschwung in Westdeutschland hatten die Rentner also kaum Anteil. Um die Rentenhöhe zu sichern, wurde der Staatszuschuss nach dem Krieg massiv erhöht.

Rentenversicherung im geteilten Deutschland

Im Jahr 1949 wurde Deutschland geteilt. Im Westen entstand die Bundesrepublik Deutschland und im Osten die Deutsche Demokratische Republik (DDR).

Auch die Systeme der Sozialversicherung entwickelten sich in den beiden deutschen Staaten auseinander. Während der Westen das traditionell nach Versicherungszweigen gegliederte System der Sozialversicherung beibehielt, führten die Sowjets im Osten eine Einheitsversicherung ein. Seit 1956 hatte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) die gesamte politische, organisatorische und finanzielle Leitung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten in der DDR inne. Ausgewählten Personenkreisen standen Zusatzsysteme offen.

Neue Selbstverwaltung

Das „Selbstverwaltungsgesetz“ aus dem Jahr 1951 war in der Bundesrepublik eines der ersten sozialpolitischen Gesetze der Nachkriegszeit. Es legte die Grundlage für die bundesweite Wiedereinführung der Selbstverwaltung in allen Zweigen der Sozialversicherung. Das Gesetz stellte im Kern den Rechtszustand aus der Zeit vor 1933 wieder her. Der „Leiter“ aus der NS-Zeit wurde abgeschafft. Selbstverwaltungsorgane der Rentenversicherung wurden die Vertreterversammlung anstelle des früheren Ausschusses und der Vorstand. Beide Organe setzten sich paritätisch ausschließlich aus ehrenamtlichen Vertretern der Versicherten und Arbeitgeber zusammen. Die Mitglieder der Vertreterversammlung wählten den Vorstand. Die früheren beamteten Vorstandsmitglieder gab es nicht mehr, dafür aber eine gewählte hauptamtliche Geschäftsführung. Im Jahr 1953 fanden die ersten Sozialversicherungswahlen statt.

1957: Rentenreform

Diese Rentenreform war ein Meilenstein in der Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung. Ab sofort wurde die Rentenhöhe anhand der im Lauf der Jahre eingezahlten Beiträge berechnet und nicht mehr nach den absoluten Beträgen früherer Löhne. Die Altersgelder stiegen dadurch deutlich, etwa Arbeiterrenten um 60 Prozent. Sie waren nicht mehr nur ein „Zubrot“, sondern erhielten Lohnersatzfunktion.

Zur Finanzierung der Rentenversicherung führte der Gesetzgeber das reine Umlageverfahren ein: die aktuellen Beitragszahler finanzieren die laufenden Renten. Zum ersten Mal sprach man vom Generationenvertrag, der die Verantwortung der Generationen füreinander betont.

Die Rentenreform führte zur Angleichung des Versicherungs- und Leistungsrechts in der Angestellten- und der Arbeiterrentenversicherung. Doch immer noch gab es die Trennung nach Institutionen.

Auch auf dem Gebiet der Rehabilitation war die Rentenreform richtungsweisend: Der Grundsatz „Reha vor Rente“ wurde formuliert. Neben der medizinischen Reha führte der Gesetzgeber erstmals die berufliche Reha als Regelleistung in die Rentenversicherung ein.

Nach wie vor spielte die Rentenversicherung eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Tuberkulose. Ihr ist es zu verdanken, dass die einstige Volksseuche in den 1970er- Jahren ihren Schrecken verlor.

Europäische Integration

Im Januar 1958 trat die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Kraft. Mitgliedsstaaten waren damals die Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande. Ein Ziel der neuen EWG: die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb des europäischen Binnenmarktes zu gewährleisten. Zukünftig sollten zum Beispiel auch bei Rentenansprüchen alle innerhalb der sechs EWG-Länder erworbenen Zeiten, die für eine Rente wichtig sind, berücksichtigt werden. Auch ein ungekürzter „Rentenexport“ in ein anderes als das Herkunftsland sollte möglich werden.

Start frei für die EDV

In den 60er– Jahren startete die elektronische Datenverarbeitung in der Rentenversicherung. Lochkarten wurden abgeschafft und durch Datenverarbeitungsanlagen ersetzt, die Daten auf Magnetbänder speicherten. Zum ersten Mal konnten Versichertendaten bei Bedarf wieder aufgerufen werden.

Die Bundesknappschaft

Im Jahr 1969 schlossen sich die bis dahin sieben unabhängigen Knappschaften zu einer Bundesknappschaft zusammen. Damit entstand ein gemeinsamer Sozialversicherungsträger der im Bergbau beschäftigten Arbeiter und Angestellten, und zwar in der Renten- und in der gesetzlichen Krankenversicherung.

1972: Rentenreform

Die Rentenreform von 1972 öffnete die gesetzliche Rentenversicherung für Selbstständige und Hausfrauen. Seitdem können alle, die nicht pflichtversichert sind, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichten.

Hausfrauen hatten bis dahin aufgrund ihrer geringen Beitragszeiten nur niedrige Renten zu erwarten. Neue Möglichkeiten der Nachentrichtung von Beiträgen und die freiwillige Versicherung verbesserten ihre Lage  – und machten sie etwas unabhängiger vom Einkommen ihrer Männer. Auch der im Jahr 1977 eingeführte Versorgungsausgleich bei Ehescheidung sorgte für ihre bessere Absicherung.

Einführung der Mütterrente

Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm führte im Jahr 1986 die „Mütterrente“ ein. Seitdem werden einem Elternteil Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung zuerkannt. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten zur Anrechnung von da an immer wieder ausgebaut.

1991: Deutsche Einheit und Aufbau Ost

Mit der Deutschen Einheit wurden auch die Rentensysteme in Ost und West wieder vereinheitlicht. Im Jahr 1991 begann im Osten Deutschlands der Aufbau von fünf Landesversicherungsanstalten: die LVA Sachsen, die LVA Mecklenburg-Vorpommern, die LVA Brandenburg, die LVA Sachsen-Anhalt und die LVA Thüringen. Sie sollten schrittweise die Aufgaben der Arbeiterrentenversicherung übernehmen. Auch der Zuständigkeitsbereich der bundesweiten Träger, wie der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), wurde auf Ostdeutschland ausgedehnt. 

Da die neuen Träger noch nicht über alle notwendigen Datenverarbeitungsprogramme verfügten, um Rentenanträge nach dem ab Januar 1992 geltenden Recht zu bearbeiten, konnten sie bis Anfang 1993 nur vorläufige Rentenbescheide erteilen. In Überstundenaktionen bearbeiteten darum Beschäftigte aus dem Westen die Rentenanträge-Ost.

Westdeutsche Expertenteams im Versicherungs-, Renten- oder Reha-Recht wechselten zeitweise an einen Einsatzort im Osten. Dort stand die Beratung der Versicherten sowie die Zahlung der laufenden Renten im Vordergrund.

Auch bei der Ausbildung ihrer Nachwuchskräfte erhielten die neuen Rentenversicherungsträger Unterstützung von den Trägern aus dem Westen, die teilweise die Ausbildung von zukünftigen Rentenfachleuten übernahmen.

Im Umbruch der Deutschen Einigung zeigte sich die Stärke eines umlagefinanzierten Rentensystems: seine enorme Anpassungsfähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen. Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.

Im Jahr 1993 fanden die ersten gesamtdeutschen Sozialwahlen statt. Viele Versicherte der neuen Bundesländer nutzten dabei ihr Recht auf demokratische Mitbestimmung im Rahmen der Selbstverwaltung.

1992: Rentenreform

Die erste gesamtdeutsche Rentenreform trat im Januar 1992 in Kraft. Die Rentengesetze für Arbeiterinnen und Arbeiter, für Angestellte und Bergleute wurden ab da im neuen Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusammengefasst und vereinheitlicht. Das SGB VI löste die Reichsversicherungsordnung ab. Einige Eckpunkte der Rentenreform: Die Altersgrenze 60 für Frauen und Arbeitslose sowie die Altersgrenze 63 für langjährig Versicherte wurden auf 65 Jahre angehoben. Kindererziehungszeiten konnten ab sofort für drei statt nur für ein Jahr geltend gemacht werden.

Die Rentenreform sollte die Finanzierung der Rentenversicherung entsprechend dem veränderten Altersaufbau der Bevölkerung über den Jahrtausendwechsel hinaus sichern.

Rehabilitation

Das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG), das Anfang 1997 in Kraft trat, erschütterte die Reha-Landschaft in ganz Deutschland. Bundesweit wollte der Gesetzgeber rund 2,7 Milliarden Mark an der Reha einsparen, um der angespannten Finanzlage der Rentenversicherung entgegenzuwirken. Diese litt unter der gesamtwirtschaftlichen Flaute: Im Jahr 1997 meldete die damalige Bundesanstalt für Arbeit 3,6 Millionen Arbeitslose. Der Rentenkasse gingen dadurch Beiträge verloren. Der Reha den Geldhahn zudrehen, das bedeutete auch: weniger Reha-Anträge, weniger Bewilligungen und schließlich weniger durchgeführte Reha-Leistungen. Auch mussten Versicherte kräftig zuzahlen: täglich 25 statt vorher 12 Mark.

Riester-Rente – ein Paradigmenwechsel

Das im Jahr 2001 beschlossene Altersvermögensgesetz stellte das System der Altersvorsorge in Deutschland auf eine neue Grundlage. Seit 2002 wird die gesetzliche Rente durch eine kapitalgedeckte betriebliche oder private Altersvorsorge ergänzt. Der Staat fördert diese private Altersvorsorge. Sie bildet neben der gesetzlichen und der betrieblichen die sogenannte dritte Säule im Drei-Säulen-Modell der Altersversorgung in Deutschland. Die neue Form der staatlichen Förderung firmiert unter dem Begriff „Riester-Rente“, weil sie auf den Vorschlag von Bundesarbeitsminister Walter Riester (1998 bis 2002) eingeführt wurde. Das Ziel, den Lebensstandard zu sichern, soll seitdem im Zusammenwirken der drei Säulen realisiert werden.

Mehr Durchblick für Versicherte – die Renteninformation

Der Gesetzgeber sah die Zustellung einer persönlichen Renteninformation erst ab 2004 vor. Als Service für ihre Versicherten verständigten sich aber alle Rentenversicherungsträger darauf, schon ab 2002 mit dem Versand der neuen Renteninformation zu beginnen. Sie soll den Versicherten einen Überblick über die erworbenen Anwartschaften und die Höhe der künftig zu erwartenden Altersrente oder einer Erwerbsminderungsrente geben.

2005: Die Organisationsreform

Mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Effektivität, mehr Bürgernähe – das waren die Ziele der Organisationsreform der Deutschen Rentenversicherung. Seit Oktober 2005 firmieren alle Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland unter einem Namen und einem gemeinsamen Logo. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), seit Ende des Zweiten Weltkriegs unter diesem Namen der Dachverband der Rentenversicherung, und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) schlossen sich zur Deutschen Rentenversicherung Bund zusammen. Für Beschäftigte im Bergbau, bei der Bahn und in der Seefahrt ist seitdem die neue Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als zweiter Bundesträger zuständig. Die Landesversicherungsanstalten blieben als Regionalträger erhalten, einige fusionierten. Insgesamt gibt es heute 16 Rentenversicherungsträger.

Rente ab 67

Im Jahr 2007 trat das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz in Kraft. Mit seinem vollen Namen machte es die Absicht des Gesetzgebers deutlich: „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“. Die Rente mit 67 wurde ab 2012 mit langen Übergangsfristen eingeführt.

Stark trotz Krise

Die Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers führte im Jahr 2008 zu einem weltweiten Banken-  und Börsencrash. Wieder einmal stellte die Rentenversicherung unter Beweis, wie stark und funktionsfähig sie dank des Umlageverfahrens ist: Weil die Beiträge im Rentensystem sofort für die Finanzierung der laufenden Renten verwendet und - anders als beim Kapitaldeckungsverfahren - nicht am Markt angelegt werden, ging damals kein Kapital verloren. Ihre Rücklagen legt die Rentenversicherung nur bei Banken mit Einlagensicherung an.

2014: 125 Jahre Rentenversicherung

Im Dezember 2014 beging die Deutsche Rentenversicherung ihr Jubiläum mit einer zentralen Feier in Berlin. Unter den vielen Festgästen war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hob den großen Beitrag der Deutschen Rentenversicherung zum sozialen Frieden in Deutschland hervor. „Wenn etwas schon so lange besteht wie die Deutsche Rentenversicherung, dann muss es schon eine Erfolgsgeschichte sein“, betonte die Kanzlerin.

Gemeinsamer Firmenservice

Mit dem gemeinsamen Firmenservice schloss die Deutsche Rentenversicherung im Jahr 2015 eine Beratungslücke. Der Firmenservice richtet sich deutschlandweit an Arbeitgeber und deren Belegschaft, an Steuerberater sowie an Werks- und Betriebsärzte und Betriebs- und Personalräte. Das neue Beratungsangebot ist komplex und berücksichtigt die Themen „Rente und Altersvorsorge“, „Gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ und „Beiträge und Meldungen zur Sozialversicherung“. 

Flexirentengesetz und Prävention

Das Flexirentengesetz passierte im November 2016 den Bundestag. Es soll den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zukünftig flexibler gestalten und gleichzeitig die Attraktivität für ein Weiterarbeiten über die reguläre Altersgrenze hinaus erhöhen.

Präventionsleistungen in der Rentenversicherung wurden von Ermessens- zu Pflichtleistungen. „Prävention vor Reha vor Rente lautet die Maxime.

Rentenpakt

Rentenpaket und Rentenpakt heißen die beiden jüngsten Reformen, mit denen die Politik die Rentenversicherung an sich verändernde demografische, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen anpassen will.

Grundzüge des Rentenpaketes aus dem Jahr 2014 sind die erweiterte Mütterrente und die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte ab 63 Jahren sowie Verbesserungen beim Erwerbsminderungsrecht.

Es gibt aber auch Änderungen, die das Reha-Budget betreffen: Weil der Gesetzgeber in den nächsten Jahren mit einer ansteigenden Nachfrage nach medizinischer Reha rechnet, soll beim Reha-Budget künftig die demografische Entwicklung anhand eines Demografiefaktors berücksichtigt werden.

Im November 2018 passierte das „Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“ kurz: der Rentenpakt, den Bundesrat. Seine Regelungen sind seit Januar 2019 in Kraft: Um das Vertrauen in die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken, hat der Gesetzgeber Haltelinien für den Beitragssatz und das Rentenniveau beschlossen. Danach soll bis zum Jahr 2025 der Rentenbeitragssatz höchstens 20 Prozent betragen und gleichzeitig das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fallen. So darf auch die Generation Babyboomer eine auskömmliche Rente erwarten. Der Rentenpakt brachte weitere Leistungsverbesserungen bei den Kindererziehungszeiten, die sogenannte Mütterrente II sowie bei den Erwerbsminderungsrenten.

Der Grundrentenzuschlag

Nach dem Beschluss des Bundestages vom 2. Juli 2020 und der Zustimmung des Bundesrats am 3. Juli 2020 ist das Gesetz zum Grundrentenzuschlag am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Die Grundrente ist ein individueller Zuschlag zur Rente. Anspruch auf den Grundrentenzuschlag können Rentnerinnen und Rentner haben, die lange gearbeitet und dabei unterdurchschnittlich verdient haben.

Die Zukunft im Blick

Über 50 Millionen Versicherte in Deutschland und mehr als 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner vertrauen heute auf die Deutsche Rentenversicherung. Der Blick zurück zeigt, wie sie sich stets angepasst hat an sich verändernde demografische, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. So wird sie es auch in Zukunft halten, damit sie bleibt, was sie ist: die wichtigste Säule der Alterssicherung in unserem Land.

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