Quelle:Bildarchiv DRV Bund/Kruppa
Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund
Ist die Rente noch sicher, auch in Zeiten von Corona? Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Gundula Roßbach, spricht im Interview über die Finanzlage der Rentenkasse - und sie verrät, wie sich der Beitragssatz voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren entwickelt. Außerdem stellt sie sich der Frage, warum die Auszahlung der Grundrente so lange dauert.
Frau Roßbach, ist die Rente auch in Zeiten von Corona sicher?
Selbstverständlich. Wir leben in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten. Aber die Rente wird ohne Wenn und Aber gezahlt. Dies war zu keinem Zeitpunkt in der Corona-Krise in Gefahr. Und das gilt auch in der Zukunft.
Wie wirkt sich die Krise am Arbeitsmarkt auf die Kassenlage der Rentenversicherung aus?
Die Auswirkungen der Krise am Arbeitsmarkt auf die Rentenversicherung sind geringer, als viele denken. Natürlich kommen weniger Beiträge rein, wenn mehr Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit sind. In die Rentenversicherung werden aber auch Beiträge eingezahlt, wenn jemand Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld I bekommt. Dadurch wird die Krise für die Rentenversicherung abgefedert.
Inwieweit musste die Rentenversicherung auf ihre Rücklagen zurückgreifen?
Die Rentenversicherung hat eine Nachhaltigkeitsrücklage, die ohnehin schrittweise abgebaut wird, um die Beitragssätze im demografischen Wandel stabil zu halten. In der Krise verringert sich die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung etwas schneller als geplant, aber sie ist immer noch gut ausgestattet. Sie wird nach unseren Vorausberechnungen auch Ende des Jahres noch rund 38 Milliarden Euro betragen. Das ist weniger als die 40,5 Milliarden Euro, bei denen sie Ende 2019 lag. Aber es zeigt, dass die Rentenversicherung in der Corona-Krise gut und sicher aufgestellt ist.
Geht es denn – trotz Corona-Krise – bei der Rentenversicherung auch schon wieder aufwärts?
Ja. Es geht bei den Einnahmen der Rentenversicherung aktuell wieder nach oben. In den Monaten März und April hatten wir - als Folge des Lockdowns - geringere Beitragseingänge. Jetzt stellen wir fest: Im Mai und Juni liegen wir bei den Beitragseingängen wieder über den Werten, die wir zur gleichen Zeit im Vorjahr hatten, was auch an der Nachzahlung von Beiträgen liegt, die vorher gestundet waren. Ich bin zuversichtlich, was die weitere Entwicklung bei der Rentenversicherung in der Corona-Krise angeht.
Bleibt der Beitragssatz stabil?
Der Beitragssatz bleibt voraussichtlich weitere zwei Jahre stabil bei 18,6 Prozent. Danach wird eine Anhebung nötig sein. Das ist ein Ergebnis der Schätzung zur Finanzlage der Rentenversicherung, die wir jedes Jahr im Juli durchführen. Gleichzeitig ist natürlich klar: Der Beitragssatz ist bis 2025 gesetzlich bei höchstens 20 Prozent gedeckelt. Die Schätzer sind übrigens auch zum Ergebnis gekommen, dass das Rentenniveau zumindest vorerst noch ansteigen wird.
Bei vielen Menschen herrscht Verwirrung. Erst steigt die Rente in diesem Jahr trotz Corona außerordentlich stark. Im nächsten Jahr soll es dann voraussichtlich eine Nullrunde geben.
Ich verstehe die Verwirrung. Am Ende erklärt es sich aber ganz einfach: Die Rente orientiert sich an der Lohnentwicklung des Vorjahres. Die Rentner bekommen also in jedem Jahr im Juli eine Erhöhung ausgezahlt, die sich aus der Entwicklung im Vorjahr ergibt. Wir laufen bei der Rentenanpassung immer ein Jahr hinterher.
Geht es nicht schneller?
Wir brauchen den Vorlauf, wenn wir mit verlässlichen Daten arbeiten wollen. Im Ergebnis hat es jetzt noch eine kräftige Erhöhung gegeben. Und im nächsten Jahr wirkt sich dann die Krise aus. Das bedeutet dann wahrscheinlich eine Nullrunde bei den Renten im Westen. Im Osten gibt es eine geringfügige Steigerung, weil wir bis 2024 die Ost- an die Westrenten angleichen.
Die Grundrente ist beschlossen. Das Gesetz gilt ab 1. Januar 2021. Die Rentenversicherung will aber erst ein halbes Jahr später mit den Auszahlungen beginnen, wenn auch rückwirkend. Viele sollen erst Ende 2022 das erste Mal Geld bekommen. Meinen Sie das ernst?
Die Grundrente ist so ausgestaltet, dass der Bürger möglichst wenig Verwaltungsaufwand hat. Niemand muss von sich aus tätig werden und einen Antrag stellen. Wir kümmern uns darum, dass die Menschen ihr Geld bekommen. Dafür werden wir in allen laufenden Renten - das sind 26 Millionen Fälle - prüfen, ob ein Grundrentenanspruch besteht. Das ist ein riesiger Aufwand, der Zeit erfordert. Und es ist nur der erste Schritt, wenn es um die Prüfung der Grundrentenansprüche geht.
Sie spielen auf die Einkommensprüfung an.
Genau. Diese Einkommensprüfung betrifft nicht nur den Rentner, sondern auch seinen Ehegatten. Das Ziel ist, dass die Grundrente nicht an Menschen herausgeht, die ein hohes Haushaltseinkommen haben. All diese Dinge sind für die Rentenversicherung vollkommen neu. Wir müssen für die Einkommensprüfung eine neue Datenautobahn mit den Finanzverwaltungen bauen. Auch das dient dazu, dass nicht der Einzelne damit beschäftigt ist, Nachweise zu erbringen. Ausnahmen gibt es allerdings bei Einkünften aus Kapitalerträgen und aus dem Ausland.
Sie werden also auf keinen Fall früher fertig?
Die große Koalition hat sehr lang über die Grundrente diskutiert. Dadurch ist das Zeitfenster, dieses komplexe Vorhaben vorzubereiten, enger geworden. Wir müssen hundert Prozent verlässlich arbeiten und testen daher unsere IT-Programme vor ihrem Einsatz intensiv. Die Rentenversicherung darf Fehler nicht erst im laufenden Betrieb ausräumen.
Die nächste Baustelle ist eine Altersvorsorgepflicht für Selbständige, die im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Sollte die große Koalition das auf jeden Fall noch umsetzen - oder wären Sie dankbar für eine kleine Reformpause?
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Absicherung von Selbständigen ein wichtiges Thema ist. Das gilt logischerweise auch für die Frage der Altersvorsorge. Es ist sinnvoll, Selbständige, die keine andere Altersvorsorge haben, in die Rentenversicherung zu holen. Die große Koalition sollte das noch anpacken und einen entsprechenden Schutzschirm für Selbständige schaffen. Das ist gesellschaftlich richtig.