Deutsche Rentenversicherung

Nachrichten Frühling 2024

Suchterkrankungen – Reintegration durch ­Rehabilitation

Eine Frau blickt zuversichtlich lächelnd in die KameraQuelle:Deutsche Rentenversicherung


Anlässe für den Konsum von Alkohol gibt es hierzulande zur Genüge. Aus einem gelegentlichen Genuss kann sich ein problematischer Konsum entwickeln. Dies gilt nicht nur für alkoholische Getränke, sondern auch für andere mögliche Suchtmittel. Grenzen zwischen einem unkritischen Verhalten und der Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung, allgemein oft als Sucht bezeichnet, sind meist fließend.
Bei den Abhängigkeitserkrankungen wird unterschieden zwischen den stoffgebundenen (Substanzen wie Alkohol, Medikamente, illegale Drogen) und nicht-stoffgebundenen (wie pathologisches Glücksspiel und pathologischer PC- und Internetgebrauch). Suchterkrankungen gelten mittlerweile als chronisch rezidivierende Gesundheitsstörungen. Bereits 1968 erkannte das Bundessozialgericht Alkoholismus als Krankheit an.
Nach bevölkerungsrepräsentativen Umfrageergebnissen (Epidemiologischer Suchtsurvey 2021) wiesen im Jahr 2021 7,9 Millionen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland einen gesundheitlich riskanten Konsum von Alkohol auf. Im Jahr 2016 waren allein über 60.000 Todesfälle ausschließlich durch eine auf Alkohol zurückzuführende Ursache begründet. 2021 konsumierten laut Hochrechnungen 4,9 Millionen der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland mindestens eine illegale Droge; 4,5 Millionen von ihnen konsumierten illegal beschafftes Cannabis.


Hilfe bei einer Suchterkrankung

Ein Substanzkonsum ist nicht gleichzusetzen mit einer Abhängigkeit. Es existieren unterschiedliche Definitionen für die Diagnose einer Suchterkrankung. Anzeichen für eine vorliegende Abhängigkeitsproblematik kann beispielsweise sein, wenn jemand dem Verlangen zum Konsum nur schwer standhalten kann und die Kontrolle darüber verliert. Auch die Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Konsums ist als Alarmzeichen zu werten.
Hat sich eine Abhängigkeitserkrankung entwickelt, ist es schwer, ohne Unterstützung eine dauerhafte Abstinenz zu erreichen. Erste Anlaufstellen zur Unterstützung Betroffener und Angehöriger können Haus-, Betriebs- oder Fachärztinnen und -ärzte, Sozialdienste, Selbsthilfegruppen sowie Suchtberatungsstellen sein. Letztere bieten eine unverbindliche Beratung an, auf Wunsch anonym und unter Einbeziehung nahestehender Personen. Kontaktadressen finden Sie über die Seite der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen: www.dhs.de.
Ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Suchtmittelfreiheit ist die medizinische Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen (Entwöhnungsbehandlung), eine Leistung der Deutschen Rentenversicherung.

Ziele der Entwöhnungsbehandlung

Die Rehabilitation unterstützt Betroffene dabei, körperliche und seelische Störungen zu behandeln, eine dauerhafte Abstinenz zu erreichen, eine Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu ermöglichen sowie die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Um dies zu erreichen, wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, welcher nicht nur auf medizinischer und psychologischer Ebene ansetzt. Sport-, Kreativ- sowie arbeits-, ergo- und sozialtherapeutische Angebote tragen ebenso zum Erfolg der Rehabilitation bei. Oft können verschiedene Berufsbilder in internen und externen Praktika erprobt werden.
Durch das zusätzliche Angebot BORA (Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker) wird gezielt die Festigung des vorhandenen Arbeitsverhältnisses beziehungsweise die Reintegration in den Arbeitsmarkt bei Rehabilitandinnen und Rehabilitanden ohne Beschäftigung verfolgt.
Kostenträger einer Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen ist bei über 80 Prozent der Fälle die Deutsche Rentenversicherung. Quantitativ stellen bei der Deutschen Rentenversicherung die Rehabilitationsbehandlungen bei Alkoholabhängigkeit die größte Gruppe im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen dar. Im Vorjahr der Corona-Pandemie, 2019, wurden 28.701 Rehabilitationsbehandlungen bei dieser Indikation durchgeführt.

Antrag erforderlich

Ist der Wunsch nach Veränderung und einer Entwöhnung vom Suchtmittel gefestigt, die Motivation und Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit gegeben und gegebenenfalls eine notwendige Entgiftung erfolgreich abgeschlossen, kann eine Rehabilitationsbehandlung angetreten werden. Suchtberatungsstellen oder Sozialdienste im stationären Behandlungsrahmen unterstützen bei Vorbereitung und Antragstellung. Sie erstellen einen für den Rehabilitationsantrag erforderlichen Sozialbericht. Darüber hinaus wird ein Befundbericht der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes benötigt. Die Entwöhnungsbehandlung kann sowohl aus dem ambulanten Bereich als auch im so genannten Nahtlosverfahren unmittelbar im Anschluss an eine Entgiftungsbehandlung in der Klinik angetreten werden.

Wie kann die Rehabilitation stattfinden?

1. Stationäre Rehabilitation

Die Behandlung erfolgt über mehrere Wochen stationär in einer Rehabilitationseinrichtung, Übernachtung und Verpflegung inklusive. Die Regelbewilligungsdauer beläuft sich auf 13 Wochen für Alkohol- und Medikamentenentwöhnung und 22 Wochen für die Entwöhnungsbehandlung bei einer Abhängigkeit von illegalen Substanzen. Bei Bedarf kann die Rehabilitationsdauer verlängert werden.

2. Ganztägig ambulante Rehabilitation

Der Therapieablauf entspricht im Wesentlichen dem eines stationären Aufenthalts, ermöglicht den Rehabilitandinnen und Rehabilitanden aber, täglich nach Therapieende in ihr familiäres Umfeld zurückzukehren. Eine ausreichende Abstinenzfähigkeit und soziale Stabilität ist hierfür Voraussetzung. Die Bewilligungsdauer einer Regelbehandlung beläuft sich auf 12 Wochen (Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit) beziehungsweise 18 Wochen (illegale Drogen). Bei Bedarf kann die Rehabilitationsdauer verlängert werden.

Sowohl in der stationären als auch in der ganztägig ambulanten Rehabilitation werden von vielen Rehabilitationskliniken unter bestimmten Voraussetzungen auch Kurzzeitbehandlungen angeboten, welche je nach Suchtmittel für einen Zeitraum von 8 bis 13 Wochen bewilligt werden.

3. Ambulante Rehabilitation

Sie eignet sich insbesondere für Versicherte mit bestehendem Arbeitsplatz und einem stabilen sozialen Umfeld. Die Behandlungen finden in der Regel in den Nachmittags- und Abendstunden statt, so dass das Angebot neben einer beruflichen Tätigkeit wahrgenommen werden kann. Die Bewilligung erfolgt in der Regel für 6 Monate (40 Therapieeinheiten in Form von Einzel- und Gruppentherapie sowie 4 Gespräche mit Angehörigen) und kann bis zu zweimal verlängert werden.

Auch Kombinationen aus stationärem und ambulantem Angebot sind möglich.


Nach der Entwöhnungsbehandlung

Nach Abschluss einer mehrwöchigen Entwöhnungsbehandlung können die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden weitere Unterstützung erhalten. Besteht Bedarf an therapeutischer Begleitung der Integration in Beruf und Alltag zum Erlangen einer selbstständigen Lebensführung, kann als weiterer Baustein der Rehabilitationsangebote die Adap­tion in Anspruch genommen werden. Während der etwa 12 Wochen (Alkohol/Medikamente) beziehungsweise 14 Wochen (illegale Drogen) dauernden Maßnahme leben die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden in Wohnungen oder Wohngruppen. Die Versorgung erfolgt weitgehend selbst. In diesem Rahmen werden berufliche Praktika und Belastungserprobungen durchgeführt und durch regelmäßige therapeutische und pädagogische Angebote unterstützt.
Zudem kann im möglichst unmittelbaren Anschluss an die Rehabilitation ein Nachsorgeangebot in Anspruch genommen werden. Dieses dauert in der Regel 6 Monate und umfasst 20 Gesprächseinheiten. Eine einmalige Verlängerung um weitere 6 Monate ist möglich. Es dient der weiteren Verfes­tigung der in der Rehabilitation erlernten Verhaltensstrategien und bietet im ambulanten Rahmen die Möglichkeit, sich mit anderen Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sowie mit den Therapeutinnen und Therapeuten auszutauschen.
Die aufgeführten Leistungen stehen ebenfalls für die Behandlung von pathologischem Glückspiel und Computerspielsucht zur Verfügung und werden von darauf spezialisierten Einrichtungen angeboten.
Als weiterführende Leistung der Deutschen Rentenversicherung kommen zudem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Frage. Hierunter fallen beispielsweise Hilfen zur Wiedereingliederung ins Berufsleben oder zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsverhältnisses, zum Beispiel technische Hilfen oder Arbeitsplatzanpassungen. Entsprechende Möglichkeiten werden bereits während der Rehabilitation besprochen und bei Bedarf angebahnt.

Klinik Ihrer Wahl

Sowohl der Deutschen Rentenversicherung Hessen als auch den Rehabilitationskliniken ist es ein wichtiges Anliegen, die individuellen Bedürfnisse der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden berücksichtigen zu können. Alle interessierten Versicherten haben die Möglichkeit, sich auf der Website https://meine-rehabilitation.de über die verschiedenen Angebote zu informieren. Besonderheiten und Schwerpunkte einzelner Kliniken, wie beispielsweise die Möglichkeit, betreuungspflichtige Kinder mitaufzunehmen, oder geschlechterspezifische Angebote, können somit im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechtes Berücksichtigung finden.


Info

Für Betroffene und Angehörige:
https://www.hls-online.org/ und www.dhs.de
Über die Rehabilitation/Entwöhnungsbehandlung: www.deutsche-rentenversicherung.de > Reha > ­Medizinische Reha > Sucht-Reha
Über Reha-Einrichtungen:
https://meine-rehabilitation.de
Alkohol-Selbsttest:
https://www.kenn-dein-limit.de/alkohol-tests/­alkohol-selbsttest/


Dr. Kerstin Barth, Rehabilitation und Klinikmanagement

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Inhalt des Dossiers

  1. Suchterkrankungen – Reintegration durch ­Rehabilitation
  2. Neues rehapro-Projekt ORIENT
  3. Erwerbsminderungsrente: Ein Netz für alle Fälle
  4. Arbeitgeber im Blick: Die Betriebsprüfung
  5. Besuchen Sie uns an unserem Stand auf dem Hessentag 2024
  6. Ins Gespräch kommen und Netzwerke knüpfen
  7. „Kürzung der Bundes­zuschüsse geht zu Laste­n der Beitragszahlenden“
  8. 75 Versicherten­älteste ­beraten hessenweit vor Ort