ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch im Jubiläumsjahr der Deutschen Rentenversicherung Rheinland wird ein zentrales Thema meines Berichtes die Finanzlage der allgemeinen Rentenversicherung sein. Meine Ausführungen basieren auf den Berechnungen des „Schätzerkreises Rentenfinanzen“. Der Schätzerkreis hat sich vom 21. bis zum 23. April 2015 zur Vorausschätzung der Einnahmen und Ausgaben sowie des Vermögens der allgemeinen Rentenversicherung in Berlin eingefunden.
Berechnungsbasis für die Vorausschätzung des Monats April 2015 war das vorläufige Rechnungsergebnis des Jahres 2014. Die volkswirtschaftlichen Rahmendaten für den Zeitraum bis zum Jahr 2019 entstammen der Frühjahrsprojektion 2015 der Bundesregierung. Ergänzend wurde das Ergebnis der Steuerschätzung von Mai 2015 berücksichtigt.
Zum Jahresende 2014 war ein erfreulicher Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung in Höhe von 3,2 Mrd. EUR zu verzeichnen. Die Nachhaltigkeitsrücklage erreichte zum Jahresende 2014 einen Wert von 35 Mrd. EUR. Das entspricht 1,92 Monatsausgaben der allgemeinen Rentenversicherung.
Die Bundesregierung rechnet in ihrer Frühjahrsprojektion für das laufende Jahr mit einem nominalen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um 3,8 Prozent. Die für 2015 erwartete Veränderung der Bruttolohn- und Gehaltssumme liegt bei 4,1 Prozent. In den folgenden Jahren - bis zum Jahr 2019 - wird mit Wachstumsraten der Bruttolohn- und Gehaltssumme, die rund 1 Prozentpunkt niedriger ausfallen, gerechnet.
Die auf diesen Daten basierende, zwischen BMAS und Deutschen Rentenversicherung Bund abgestimmte Finanzschätzung ergab, dass der Beitragssatz voraussichtlich bis zum Jahr 2018 konstant bei 18,7 Prozent verbleiben kann. Hier greift die gesetzliche Norm, dass der Beitragssatz nicht zu verändern ist, solange die Nachhaltigkeitsrücklage sich im Korridor zwischen 0,2 und 1,5 Monatsausgaben bewegt. Insbesondere aufgrund der finanziellen Belastungen durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz baut sich die Nachhaltigkeitsrücklage in den kommenden Jahren allerdings rasch und mit zunehmenden Raten ab. 2015 liegt der Rückgang noch bei rund 3,7 Mrd. EUR. Im Jahr 2018 wird er voraussichtlich bereits 8,6 Mrd. EUR erreichen.
Nach dem Abbau der Rücklage ist - Stand heute - im Jahr 2019 der Beitragssatz auf 19,1 Prozent anzuheben, um ein Unterschreiten der Mindestnachhaltigkeitsrücklage von 0,2 Monatsausgaben zum Jahresende 2019 zu verhindern. An dieser Stelle möchte ich - mit Blick auf die Erfahrungen der Vergangenheit - noch einmal darauf hinweisen, dass eine Nachhaltigkeitsrücklage von 0,2 Monatsausgaben zu gering ist, um unterjährige Liquiditätsprobleme zu verhindern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in einzelnen Monaten keine ausreichenden Mittel für Rentenzahlungen zur Verfügung stehen, so dass die Bundesgarantie in Anspruch genommen werden müsste. Und dies mit allen negativen Begleiterscheinungen in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung. Es ist mithin dringend angezeigt, die Mindestnachhaltigkeitsrücklage anzuheben. Ein Betrag von beispielsweise 0,4 Monatsausgaben würde für mehr Sicherheit und Stabilität sorgen.
Erfreulich ist: Im restlichen Verlauf des Jahres 2015 ist nicht mit Liquiditätsproblemen zu rechnen. Nach den Modellrechnungen dürfte die Liquidität am Jahresende 2015 mit 31,8 Mrd. EUR bei 1,64 Monatsausgaben der allgemeinen Rentenversicherung liegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
am 1. Juli 2015 werden die Renten angepasst. Dies geschieht in der Form, dass der so genannte aktuelle Rentenwert, mit dem die persönlichen Entgeltpunkte bewertet werden, verändert wird. Die Änderungsrate wiederum errechnet sich anhand von 3 Faktoren: dem Lohnfaktor, dem Beitragssatzfaktor und dem Nachhaltigkeitsfaktor.
Der Lohnfaktor wird für Ost und West getrennt berechnet. Er stellt auf die durchschnittliche Lohnsteigerung von Jahr zu Jahr ab und bezieht sich dabei grundsätzlich auf die beitragspflichtigen Entgelte der Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Einbezogen sind hier übrigens auch Minijobber und Bezieher von Arbeitslosengeld I.
Für die Rentenanpassung des Jahres 2015 ergibt sich eine Besonderheit. Im September 2014 wurden die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen den Konzepten des europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen weiter angeglichen. Dies hat zur Folge, dass der für 2013 statistisch gemessene Durchschnitt der Bruttolöhne und -gehälter gesunken ist. Dies wiederum hat unmittelbar Auswirkungen auf die Höhe der Rentenanpassung in den Jahren 2015 und 2016. Die exakte Höhe dieses „Revisionseffektes“ lässt sich jedoch nicht beziffern, da für 2014 kein unrevidierter Vergleichswert bekannt ist. Der Revisionseffekt wirkt sich vollumfänglich allerdings nicht dauerhaft, sondern nur bis zur Rentenanpassung 2016 aus.
Entscheidend für die Rentnerinnen und Rentner der allgemeinen Rentenversicherung ist, dass durch den Revisionseffekt die Rentenanpassung des Jahres 2015 etwas gedämpft wird. Dafür wird die Anpassung des Jahres 2016 voraussichtlich deutlich günstiger für die über 20 Mio. Rentnerinnen und Rentner ausfallen.
Die weiteren Faktoren, die für die Festlegung des aktuellen Rentenwertes von Bedeutung sind, nämlich der Beitragssatzfaktor und der Nachhaltigkeitsfaktor haben in diesem Jahr nur marginale Auswirkungen. Daher möchte ich auf diese beiden Faktoren heute nicht näher eingehen. Im Ergebnis errechnen sich neue aktuelle Rentenwerte von
29,21 EUR (West) und 27,05 EUR (Ost). Dies entspricht Rentenanpassungen zum
1. Juli 2015 in Höhe von 2,1 Prozent (West) und 2,5 Prozent (Ost).
Unter dem Strich, meine sehr geehrten Damen und Herren, können die Rentnerinnen und Rentner bei einer Inflationsrate, die aktuell nahe Null liegt, fast reale Einkommenszuwächse in Höhe der Rentensteigerung erzielen. Die Standardrente Ost hat gegenüber der Standardrente West zudem weiter aufgeholt. Der Abstand reduzierte sich allerdings nur leicht, von 7,8 Prozent im Jahr 2014 auf 7,4 Prozent im laufenden Jahr 2015.
Die Gesamtkosten der Rentenanpassung in der allgemeinen Rentenversicherung für das zweite Halbjahr 2015 belaufen sich auf etwa 2,8 Mrd. EUR.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
regelmäßiges Thema unserer Vertreterversammlungen ist auch die Entwicklung der Klinikkette der Deutschen Rentenversicherung Rheinland. Im Wesentlichen wird sie hierzu Herr Krumnack in seinem gleich folgenden Bericht informieren. Ich möchte mich dieses Mal auf die Entwicklungen in einer ausgewählten Einrichtung der Klinikkette konzentrieren, nämlich der Nordseeklinik Borkum.
Die Nordseeklinik konnte im Jahr 2014 ihr Betriebsergebnis weiter verbessern. Allerdings hat auch diese Ergebnisverbesserung nicht ausgereicht, um die Klinik in den wettbewerbsrelevanten Marktpreiskorridor zu führen, den die Deutsche Rentenversicherung Bund jedes Jahr erhebt und auswertet. Vor diesem Hintergrund hatten wir Ihnen in der letzten Vertreterversammlung berichtet, dass die Deutsche Rentenversicherung Rheinland gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Gutachten bei der Unternehmensberatung Ernst & Young in Auftrag gegeben hatte, um die Situation der Kliniken der beiden Träger auf Borkum analysieren zu lassen und eine neutrale und objektive Empfehlung für die Weiterentwicklung und Kooperation auf Borkum zu erhalten. Ernst & Young hat in seinem umfassenden Gutachten sehr detailliert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Betriebsergebnisse unserer Nordseeklinik sowie der Partnerklinik der Deutschen Rentenversicherung Bund analysiert. Auf dieser Grundlage hat Ernst & Young zwei wesentliche Feststellungen getroffen:
Zum einen bestätigt der Unternehmensberater, dass die rentenversicherungseigenen Kliniken auf Borkum durch die exponierte Lage und den Inselstandort mit erheblichen inselbedingten Mehrkosten arbeiten müssen, die vergleichbare Festlandskliniken nicht zu tragen haben. Dieser inselbedingte Mehraufwand belastet die Betriebsergebnisse der Nordseeklinik Borkum und der Klinik Borkum Riff der Deutschen Rentenversicherung Bund erheblich. Die inselbedingten Mehrkosten sind im übrigen deutlich höher als die rund 3 Euro, mit denen die Nordseeklinik den oberen Marktpreis im Jahr 2014 überschritten hat.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt Ernst & Young, die beiden Kliniken der Deutschen Rentenversicherung Rheinland und der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Borkum künftig als gemeinsame gemeinnützige GmbH zu führen, um auf diesem Wege effektiv weitere Synergien zu erschließen. Dabei orientiert sich Ernst & Young auch am Vorbild der Westerwaldklinik Waldbreitbach gGmbH, die in diesem Jahr ihr 25jähriges Bestehen feiert.
Die Ergebnisse des Gutachtens von Ernst & Young wurden eingehend mit der Deutschen Rentenversicherung Bund erörtert. Dort sieht man allerdings derzeit keine Notwendigkeit, die von Ernst & Young empfohlene Gründung einer gemeinsamen GmbH auf Borkum konkret anzugehen. In den kommenden Monaten sollen Klinikexperten der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Deutschen Rentenversicherung Rheinland zunächst die Potenziale prüfen, die in der Beibehaltung der bisherigen Betriebsform als Eigenbetrieb in der bestehenden Kooperation realisiert werden können.
Wir stimmen mit der Deutschen Rentenversicherung Bund überein, dass Fortschritte in der Kooperation nur erzielt werden können, wenn ein neuer, erweiterter Kooperationsvertrag zur Umsetzung zusätzlicher Kooperationsfelder und effektiver Synergien vereinbart wird. Das bedeutet, dass für beide Kliniken die Kompetenzen vor Ort in den Kliniken und im Verhältnis zu den Kliniksteuerungen der Träger neu definiert werden müssen. Beispielsweise ist zu klären, wie die Kompetenzen in der Personalplanung und -einstellung sowie bei der Budget- und Steuerungsverantwortung künftig verteilt werden. Um eine einheitliche Personaleinsatzplanung in beiden Kliniken zu gewährleisten, sind Fragen der Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beider Kliniken zu klären. Dazu zählt insbesondere auch die Frage, wie künftig verbindlich ein zeitnaher und bedarfsgerechter Einsatz des Personals in der jeweils anderen Klinik umgesetzt werden kann. Mit dieser Zielsetzung soll unter dem Arbeitstitel eines neuen “Geschäftsführermodells“ bis zum Jahresende geklärt werden, ob gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Bund ein unternehmerisch handelnder kaufmännischer Geschäftsführer für beide Kliniken eingestellt werden kann, der in der Gesamtverantwortung einheitliche Prozesse und Ablauforganisationen einführt und verantwortet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Vorstand und Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Rheinland stimmen darin überein, dass die Erfolgsaussichten und die Fortführung der Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Borkum daran gemessen werden muss, ob es gelingt, in den nächsten Monaten messbare Fortschritte zu vereinbaren und auf den Weg zu bringen, von denen beide Kliniken – also ausdrücklich auch unsere Nordseeklinik – profitieren, damit das Betriebsergebnis der Nordseeklinik weiter verbessert und stabilisiert werden kann. Der inselbedingte Mehraufwand wird von Seiten des Vorstandes der Deutschen Rentenversicherung Rheinland und auch von der Aufsichtsbehörde als Sondertatbestand anerkannt und ist künftig mit zu berücksichtigen.
Die Kliniksteuerung in Düsseldorf, die Klinikleitung vor Ort und unsere engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Nordseeklinik werden weiter alles daran setzen, den für die Deutsche Rentenversicherung Rheinland und für unsere pneumologischen und dermatologischen Patienten so wichtigen Standort weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Denn der Standort der Nordseeklinik auf Borkum ist wegen seiner klimatischen Vorteile für pneumologische Patienten und auch wegen der Beliebtheit bei den Patienten im Hinblick auf das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten sinnvoll und erforderlich. Auch hierin stimmen Vorstand und Geschäftsführung und Aufsichtsbehörde überein.
Näheres zur Klinikkette wird Ihnen, wie einleitend angekündigt, Herr Krumnack in seinem Bericht vermitteln.
Meine Damen und Herren,
bereits in 2 Jahren stehen die nächsten Sozialversicherungswahlen an. Die bereits langjährig geplante Reform des Selbstverwaltungsrechts und die Modernisierung der Sozialwahlen sind Bestandteil des Koalitionsvertrages der großen Koalition und werden mithin im parlamentarischen Raum diskutiert.
Auch bei der Einführung von Online-Wahlen im Jahr 2017 - übrigens zusätzlich und nicht anstelle der Briefwahl - sowie der Möglichkeit von mehr Urwahlen, insbesondere bei den gesetzlichen Krankenkassen, fanden die Beteiligten trotz einer positiven Aussage im Koalitionsvertrag auch unter Hinzuziehung von Sachverständigen keinen gemeinsamen Nenner. Nicht zuletzt aus Datenschutzgründen und wegen der Wahrung des Wahlgeheimnisses. Bei einer Anhörung im Arbeits- und Sozialausschuss des Deutschen Bundestages zeigten sich Datenschutzexperten äußerst skeptisch und warnten vor „Schnellschüssen“.
Fraglich ist auch, wer die zusätzlichen Kosten einer Online-Wahl, die sich ersten Schätzungen zu Folge auf viele Mio. EUR belaufen dürfte, tragen soll. Blaupausen für die Beantwortung dieser Frage gibt es in Deutschland nicht, da es Online-Wahlen bisher weder bei den Kommunen, noch bei den Ländern oder dem Bund gab. Eins ist allerdings klar: Die Sozialversicherungsträger sollten, wenn es denn dazu kommen sollte, nicht allein die Kosten einer solchen Wahl tragen.
Sie erinnern sich sicherlich, meine sehr geehrten Damen und Herren:
Schon in der letzten Legislaturperiode in den Jahren 2009 bis 2013 war ein Versuch des Gesetzgebers zu einer Reform der sozialen Selbstverwaltung und ihrer Sozialwahlen gescheitert. Die damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und FDP konnten sich zu einer Einigung ebenfalls nicht durchringen. So wurden die Reformmaßnahmen kurzerhand auf die aktuelle Legislaturperiode verschoben. Die Bilder ähneln sich: Die politischen Verantwortlichen in der großen Koalition haben offensichtlich bereits die übernächsten Sozialwahlen im Jahr 2023 im Visier. Vielleicht geben sie sich der Hoffnung hin, bis dahin ohne Zeitdruck zu einer Lösung der anstehenden Fragen zu kommen. Angesichts des langen Vorlaufs der Sozialwahlen sind, so meine Einschätzung, umfangreiche Änderungen in der Selbstverwaltung und den Sozialversicherungswahlen für die Wahl 2017 nicht mehr zu erwarten. Bereits zum 1. Oktober dieses Jahres sind die Bundes- und die Landeswahlbeauftragten zu bestellen. Und 2 Monate später erfolgen die Wahlvorankündigungen und die Bestimmung des Wahltages.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
im Rahmen der Reformüberlegungen gab und gibt es einige sinnvolle und diskussionswürdige Vorschläge; was allerdings wirklich überflüssig ist - und ich denke, da spreche ich in unser aller Namen - ist das Infragestellen der bewährten und effizienten Friedenswahlen. Dieses, auch aus betriebswirtschaftlicher Warte vernünftige Wahlverfahren entspricht den Normen des Verfassungsrechts und insbesondere dem Demokratieprinzip. Und somit möchte ich abschließend auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die Beibehaltung der bewährten Friedenswahlen plädieren.
Mit diesem Appell möchte ich meine Ausführungen für heute beenden.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.