Deutsche Rentenversicherung

Vertreterversammlung, Bericht des Vorstandes

Datum: 11.06.2021 Rede von: Dr. Sabine Graf Anlass: Vertreterversammlung

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch in diesem Jahr stehen unsere Vertreterversammlung und die Themen, über die ich Ihnen berichten möchte, unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Anstelle des geplanten persönlichen Treffens im in Biersdorf am See spreche ich nur virtuell zu Ihnen und berichte über aktuelle Themen der Rentenversicherung und die Auswirkungen der Corona Pandemie. Beginnen möchte ich meinen Bericht mit einem kurzen Blick auf den Arbeitsmarkt. Anschließend informiere ich Sie über das vorläufige Rechnungsergebnis der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2020 und berichte im weiteren Verlauf meines Vortrags über die aktuelle Finanzlage der allgemeinen Rentenversicherung. Hierbei werde ich auch auf die Vorausschätzung der Einnahmen und Ausgaben sowie auf das Vermögen der allgemeinen Rentenversicherung im laufenden Jahr und in den Folgejahren eingehen.

Da die Corona-Pandemie uns alle nun schon länger als ein Jahr begleitet und jeder von uns in dieser Zeit die ein oder andere schlechte Nachrichten verarbeiten musste, möchte ich zu Beginn meiner Rede mit einfachen Worten ein vergleichsweise positives Resümee für die gesetzliche Rentenversicherung in der Corona-Pandemie ziehen. Dieses lautet:

"Die Deutsche Rentenversicherung ist bislang mit einem blauen Auge davongekommen!"

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

natürlich möchte ich Ihnen keine liebgewonnen Details vorenthalten und richte nun gemeinsam mit Ihnen den Blick auf den Arbeitsmarkt, dessen Entwicklung für die Beitragseinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung von entscheidender Bedeutung ist.

Arbeitsmarkt

Der Zahl der arbeitslosen Menschen ist zwar von rund 2.3 Mio. Personen im März 2020 auf knapp 2,7 Mio. Personen im Mai 2021 angestiegen. Aktuell können beim Arbeitsmarkt jedoch erste Anzeichen für eine Besserung wahrgenommen werden. Seit März 2021 sinkt die Zahl der arbeitslosen Personen im Zuge der Frühjahrsbelebung kontinuierlich. Auch saisonbereinigt sind im Mai merkliche Abnahmen zu verzeichnen. Der Einfluss der Corona-Krise ist aber weiterhin deutlich erkennbar.

Der Arbeitsmarkt wird nach wie vor durch den massiven Einsatz von Kurzarbeit gestützt, aber auch hier nimmt die Inanspruchnahme also die tatsächliche Zahlung von Kurzarbeitergeld aktuell wieder merklich ab.

Nach vorläufigen hochgerechneten Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit wurde im März 2021 für 2,61 Mio Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt, nach 3,27 Mio im Februar, aber 2,02 Mio im Oktober 2020, dem Monat vor der Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen. Im April 2020, dem Monat mit der höchsten Kurzarbeiterzahl in der Corona-Krise, waren knapp 6 Mio Kurzarbeiter registriert.

Während des Bezuges von Kurzarbeitergeld besteht die Rentenversicherungspflicht fort, die Zahlung des Kurzarbeitergeldes und die daraus resultierende Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wirken während der gesamten Pandemie stabilisierend auf die Beitragseinnahmen. 

Vorläufiges Rechnungsergebnis 2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

für das Jahr 2020 wird mit Einnahmen in Höhe von 328,8 Mrd. EUR und Ausgaben in Höhe von 332,7 Mrd. EUR gerechnet. Der Schätzerkreis geht somit von einem Defizit in Höhe von knapp 3,9 Mrd. Euro aus. Der Großteil der Einnahmen entfällt traditionell auf die Beitragseinnahmen, die von 247,4 Mrd. EUR im Jahr 2019 auf 252,2 Mrd. EUR angestiegen sind. Eine vergleichbare Entwicklung hat auch der Bundeszuschuss genommen, der sich im Jahresvergleich von 72,3 Mrd. EUR auf 75,3 Mrd. EUR erhöht hat. Auch bei den Ausgaben musste im Vergleich zum Vorjahr ein deutlicher Anstieg verzeichnet werden. Hier sind die Ausgaben von 319,1 Mrd. EUR im Jahr 2019 auf insgesamt 332,7 Mrd. EUR angestiegen. Dies entspricht einer Steigerung in Höhe von 4,2 Prozent. Den wichtigsten Faktor bei den Ausgaben stellen die Rentenausgaben und die Aufwendungen für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) dar. Die Rentenausgaben haben sich von 277 Mrd. EUR im Jahre 2019 auf 289 Mrd. EUR erhöht. Die dementsprechende Steigerungsrate in Höhe von 4,3 Prozent spiegelt sich auch bei den Aufwendungen für die KVdR wider, die von 21 Mrd. EUR auf 21,9 Mrd. EUR angestiegen sind. Die übrigen Ausgaben in Höhe von 21,8 Mrd. EUR umfassen insbesondere den Wanderversicherungs- und Wanderausgleich an die knappschaftliche Rentenversicherung, die Ausgaben für Leistungen zur Teilhabe sowie die Verwaltungs- und Verfahrenskosten. Diese bewegen sich mit 21,8 Mrd. EUR in etwa auf dem Vorjahresniveau von 21,2 Mrd. EUR. Der Überschuss der Ausgaben in Höhe von rd. 3,9 Mrd. EUR hat insbesondere dazu geführt, dass die Nachhaltigkeitsrücklage entgegen dem Trend der Vorjahre von 40,5 Mrd. EUR zum Jahresende 2019 auf 37,1 Mrd. EUR im Dezember 2020 abgeschmolzen ist. Die entspricht 1,57 Monatsausgaben.

Mittelfristige Finanzentwicklung

Die Berechnung zur Entwicklung der Finanzen der allgemeinen Rentenversicherung erfolgt in der Regel viermal jährlich durch Expertinnen und Experten der Deutschen Rentenversicherung Bund, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS), den sog. Schätzerkreis. Das zweite Treffen des Schätzerkreises für das Jahr 2021 fand am 26. und 27. April 2021 statt, bei dem der aktuelle Rechtsstand zugrunde gelegt wurde. Weitere Gesetzgebungsvorhaben waren in diesem Jahr nicht zu berücksichtigen. Für die weitere Berechnung wird darüber hinaus zur Fortschreibung des zusätzlichen Bundeszuschusses noch auf die Daten zur Entwicklung des Mehrwertsteueraufkommens abgestellt, die sich aus der am 12. Mai vorgestellten Steuerschätzung des Bundes ergeben.

Zum 1.7.2021 werden die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung turnusmäßig an-gepasst. Aufgrund der vorliegenden Daten ergäbe sich anhand der bestehenden Gesetzessystematik für die Renten (West) eigentlich eine negative Rentenanpassung. Diese wird jedoch durch die in § 68a SGB VI verankerte "Rentengarantie“ ausgeschlossen, so dass sich der aktuelle Rentenwert im Westen zum 1. Juli 2021 nach der deutlichen Anhebung im letzten Jahr nicht ändert.

Der aktuelle Rentenwert Ost folgt der sogenannten „Angleichungstreppe“ nach dem Renten-überleitungs-Abschlussgesetz und steigt hierdurch im Jahr 2021 um 0,72 Prozent. Der Prozess der Angleichung der Rentenwerte in Ost und West wird damit fortgesetzt.

Somit beträgt der aktuelle Rentenwert West ab dem 1. Juli 2021 auch weiterhin 34,19 EUR und für den aktuellen Rentenwert Ost ergibt sich unter Berücksichtigung der Anpassung von 0,72 Prozent ein Betrag von 33,47 EUR.

In den Jahren 2022 und 2023 rechnet der Schätzerkreis wiederum mit deutlichen Rentenanpassungen. Für den Westen gehen die Berechnungen im Jahr 2022 von einer Rentensteigerung in Höhe von 4,4 Prozent und im Jahr 2023 von immerhin noch 4,1 Prozent aus. Die Steigerungsraten im Osten werden mit 5,1 und 4,8 Prozent noch einmal deutlich höher eingeschätzt. Für das Jahr 2024 gehen die Expertinnen und Experten dann von einer Rentenanpassung von 0,1 Prozent im Westen und 0,8 Prozent im Osten aus. Die aktuelle Rechtslage sieht vor, dass die Angleichung der aktuellen Rentenwerte in West und Ost zum Ende des Jahres 2024 abgeschlossen ist. Für das Jahr 2025 wird dementsprechend mit einer einheitlichen Rentenanpassung von 1,3 Prozent gerechnet.

Nach der aktuellen Finanzschätzung werden die Haltelinien für den Beitragssatz (max. 20 %) und das Rentenniveau (min. 48 %) bis 2025 nicht wirksam. Bis 2022 bleibt der Beitragssatz konstant bei 18,6 % und steigt 2023 auf 18,7 %. Eine Aufstockung des zusätzlichen Bundeszuschusses zur Finanzierung der Beitragssatzgarantie wird somit voraussichtlich nicht erforderlich.

Das Nettorentenniveau vor Steuern, das das Verhältnis von Nettorente zu dem fort-geschriebenen durchschnittlichen Nettoentgelt eines Jahres beziffert, steht für 2021 mit 49,4 % fest. 2022 wird es auf 49,2 % und 2023 auf den Höchstwert von 50,2 % geschätzt. Nach 2023 sinkt das Rentenniveau in der Vorausberechnung und liegt 2025 bei 48,6 %. Wie schon die Haltelinie für den Beitragssatz greift somit auch die Haltelinie für das Rentenniveau (mindestens 48 % bis 2025) nicht.

Der nach 2025 maßgebende Korridor für den Beitragssatz (höchstens 22 %) und das Rentenniveau (mindestens 43 %) wird nach den aktuellen Berechnungen in den Jahren 2026 bis 2030 voraussichtlich ebenfalls eingehalten.

Für das Jahr 2021 rechnet der Schätzerkreis in Anbetracht der für das Jahresende 2021 prognostizierten Nachhaltigkeitsrücklage in Höhe von 1,36 Monatsausgaben und des hohen Anteils an kurzfristig liquidierbaren Mitteln nicht mit Liquiditätsproblemen. Vor dem Hintergrund der Leistungsausweitungen in den letzten Jahren wird die Nachhaltigkeitsrücklage in den kommenden Jahren weiter abschmelzen. Für kommendes Jahr geht der Schätzerkreis noch von einer Nachhaltigkeitsrücklage von 0,93 Monatsausgaben aus, die nach der Prognose jedoch in den Jahren 2023 und 2024 auf jeweils 0,28 Monatsausgaben und im Jahr 2025 auf 0,36 Monatsausgaben abschmelzen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

damit die gesetzliche Rentenversicherung auch in Zukunft keine Liquiditätsengpässe zu befürchten hat, wiederhole ich an dieser Stelle gerne die bekannte Forderung der Rentenversicherung an die Politik:

"Heben Sie die Untergrenze der Nachhaltigkeitsrücklage endlich auf mindestens 0,4 Monatsausgaben an, damit die gesetzliche Rentenversicherung auch zukünftig vor Liquiditätsengpässen geschützt ist. Sie stärken hierdurch das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung."

Ausblick

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch wenn die zukünftige Entwicklung des Infektionsgeschehens nach wie vor ungewiss ist, so geben die sinkenden Infektionszahlen doch Hoffnung auf eine weitere Entspannung der Corona-Pandemie. Hierzu wird auch die zunehmende Anzahl an Impfungen beitragen. Zum Ende meines Berichts blicke ich daher verhalten hoffnungsvoll in die Zukunft und hoffe ganz stark, Sie alle zu unserer nächsten Vertreterversammlung am 16. Dezember 2021 wieder persönlich begrüßen zu können.

Mit dieser Ankündigung möchte ich meine Ausführungen für heute beenden.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit, bleiben Sie gesund und bis bald.