Fragestellung
Über 60% aller Rehabilitanden/innen in der beruflichen Ersteingliederung sind junge Menschen mit Lernbehinderungen. Bei vielen anderen Behinderungsformen wird eine Lernbehinderung als sogenannte „Sekundärbehinderung“ diagnostiziert. Kognitive Einschränkungen stellen in der Ersteingliederung, aber auch in vielen Bereichen der Wiedereingliederung, hohe Anforderungen an die Ausgestaltung von Rehabilitationsleistungen. Für diese Behinderungsform gibt es bisher keine fächerübergreifende Beschreibung. Neben sonderpädagogischen gibt es neurologische, psychologische und andere Erklärungsmodelle, die insgesamt nicht befriedigen und nur auf Teilgebiete anwendbar sind. Erst der „Teilhabe“ Ansatz des SGB IX und der zugrunde liegenden ICF erlaubt es, „Lernbehinderung“ als eine Teilhabestörung zu begreifen. Bei angemessener Gestaltung der Kontextbedingungen lassen sich in vielen Fällen die behinderungsbedingten Einschränkungen reduzieren.
Da die ICF in der Rehabilitationsplanung und -bewilligung durch die Leistungsträger in der Erstrehabilitation noch nicht angewandt wird, sind viele der Förderentscheidungen nicht transparent und nachvollziehbar. Welchen Vorteil eine ICF-Orientierung bei der Planung und Bewilligung haben kann, soll an einigen Grundsatzfragen aufgezeigt werden:
- Vorrang von allgemeinen vor besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- Entscheidung über Ausbildungsfähigkeit i. S. des Berufsbildungsgesetzes
- Auswahl zwischen wohnortnahen und stationären Maßnahmen
- Entscheidung über betriebliche und außerbetriebliche Lernorte
- Entscheidung über Platzierung in den allgemeinen Arbeitsmarkt, in Integrationprojekten oder Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.
Die ICF bietet alle Chancen, die Transparenz bei Auswahl und Entscheidung herbeizuführen, zu der sich die Leistungsträger bereits 2004 verpflichtet haben. Die Anwendung der ICF bedeutet insofern keine neue Belastung, sondern sie gibt eine Hilfe für die Entscheidungsfindung sowohl in der Erst- als auch in der Wiedereingliederung.
Autor
Dr. Rudolf C. Zelfel, iqpr Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln, Tel. 0221 3597-356, E-Mail: zelfel@iqpr.de
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