Deutsche Rentenversicherung

Anwendung der ICF in der Individuellen Hilfeplanung 3 des Landschaftsverband Rheinland

Stand 10.03.2012 Kostenlos

1. Ausgangssituation

Im Sommer 2010 führte der Landschaftsverband Rheinland (LVR) die dritte überarbeitete Version des Individuellen Hilfeplans (IHP3) in der Eingliederungshilfe flächendeckend ein. Der Hilfeplan dient der Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs und wird gemeinsam mit der leistungsberechtigten bzw. antragstellenden Person erarbeitet.
Die Berücksichtigung der ICF war eine der zentralen Anforderungen des LVR bei der Weiterentwicklung des Instruments.

2. Ziel

Das Ziel der Weiterentwicklung des IHP war es, das Instrument akutellen Entwicklungen und Anforderungen anzupassen. Grundlage dafür war neben der UN Behindertenrechtskonvention, den Empfehlungen des Deutschen Vereins in Bezug auf den Bedarf in der Eingliederungshilfe insbesondere das Bio-psychosoziale Modell der ICF. Hierdurch sollte der Blickwinkel auf die Menschen mit Behinderungen verändert, deren Lebenssituation mit ihren individuellen Zielen in den Mittelpunkt gerückt und die Leistungen an dem gesetzlichen Auftrag der Eingliederungshilfe, nämlich der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, ausgerichtet werden.

3. Umsetzung

Die Individuelle Hilfeplanung wird sowohl von den betroffenen Personen selbst, von Assistenten der Leistungserbringer oder Beratungsstellen des LVR erstellt. Sie ist maßgeblich für die Ermittlung der notwendigen Leistungen und für die praktische Unterstützung im Alltag. Grundlage für den IHP3 war wie erwähnt das Bio-psycho-soziale Modell der Behinderung, dessen verschiedene Aspekte strukturiert abgefragt werden. Das Instrument sollte wie bisher für und mit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen nutzbar sein. Das heißt, dass in einem Instrument die teils sehr unterschiedlichen Lebenslagen sowohl von Menschen mit geistigen, psychischen und körperlichen Behinderungen ICF basiert abgebildet werden sollten. Gleichzeitig stellte sich die Herausforderung der Barrierefreiheit: der IHP3 dient als Kommunikationsinstrument zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringen, aber auch den Menschen mit Behinderungen, Eltern oder gesetzlichen Betreuern. Um eine größtmögliche Verständlichkeit und die inhaltliche Transparenz für alle beteiligten Personen zu gewährleisten, entschied man sich daher auf die ICFtypischen Core-Sets und die Codierungen zu verzichten. Auch bei den Beurteilungsmerkmalen ging man einen anderen Weg. Maßgeblich für die Eingliederungshilfe ist die wesentliche Beeinträchtigung der Teilhabe auf Grund einer Funktionsbeeinträchtigung. Die Fragestellung, wie groß die Beeinträchtigung in Bezug auf eine bestimmte Aktivität ist – die in vielen anderen ICF-basierten Instrumenten der Eingliederungshilfe gestellt wird -, greift daher unserer Meinung nach zu kurz. Man entschied sich daher (und aus Gründen der Transparenz) gegen eine formale Einteilung in die Beurteilungsmerkmale 0 bis 4, sondern beantwortet die hinterlegten Fragestellungen: Welche Auswirkungen hat ein Problem? Welche Bedeutung hat das Problem für die betroffene Person? Wie oft tritt das Problem auf?

4. Fazit / Ergebnisse

Der IHP3 ist seit Juli 2010 flächendeckend eingeführt und wird in der Praxis angewendet. Die Rückmeldungen zu dem Instrument im Rahmen von Schulungen sind überwiegend positiv, der Hilfebedarf einer Person kann umfassend und transparent dargestellt werden, die Einbeziehung der betroffenen Person gelingt in den meisten Fällen.
Ende 2010, also lediglich ein halbes Jahr nach der Einführung, evaluierte die Universität Koblenz-Landau das Hilfeplanverfahren und den IHP3 speziell für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Unter anderem wurde festgestellt, dass die ICF der Hälfte der befragten Personen vor Einführung des IHP3 nicht bekannt war und somit eine große Herausforderung darstellte. 70 % der befragten Leistungserbringer sehen in der ICF-Orientierung dennoch eine innovative Weiterentwicklung und erkennen eine nachvollziehbare Orientierung des IHP3 an der ICF. (Weber 2011, S.50 ff) Die Universität Siegen untersuchte den IHP3 im Rahmen des Evaluationsprojekt PerSEH in Hessen und konstatiert ihm hierin eine einfachere Nutzbarkeit und stärkere Orientierung an der pädagogischen Arbeit als anderen Instrumenten. (Prof. Dr. Rohrmann 2011, S.6)

5. Ausblick

Die ICF findet zunehmend ihren Weg in die Eingliederungshilfe. Die Anwendung und Nutzbarkeit bezieht sich jedoch in vielen Instrumenten der Hilfeplanung eher auf das, was eine Person (nicht) kann, als auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Der IHP3 geht einen anderen Weg, indem er auf die Teilhabe fokussiert, auf die Bildung von Core-Sets verzichtet und die Beurteilungsmerkmale narrativ - beschreibend verwendet. Dieses Vorgehen, die Konzentration auf eine barrierefreie Nutzung der ICF, eine transparente Beschreibung von Sachverhalten in Bezug auf die Teilhabe wird mit diesem Beitrag zur kritischen Diskussion gestellt. Ziel ist, die Grenzen und Möglichkeiten der ICF in der Eingliederungshilfe zu spezifizieren und Weiterentwicklungen zu ermöglichen.

Wittlich, 30.12.2011

Thomas Schmitt-Schäfer

transfer-Unternehmen für soziale Innovation

Herunterladen

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir möchten gerne unsere Webseite verbessern und dafür anonyme Nutzungsstatistiken erheben. Dürfen wir dazu vorübergehend ein Statistik-Cookie setzen? Hierbei wird zu keiner Zeit Ihre Nutzung unserer Webseite mit persönlichen Daten in Verbindung gebracht.
Weitere Informationen finden Sie in der Datenschutzerklärung. Auf dieser Seite ist auch jederzeit der Widerruf Ihrer Einwilligung möglich.

OK